Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
verschwand. Dylan, dachte er verzweifelt. Er musste sie in Sicherheit bringen.
Kaum war er
sich seines Handelns bewusst, als er sie bei den Schultern packte und sie unter
sich aufs Gras warf. Ihr erschrockener Aufschrei wurde gedämpft, er fühlte ihn
mehr, als dass er ihn hörte, als er ihren Körper mit seinem bedeckte, bereit,
sich für sie zu opfern. Sie zu beschützen war alles, was jetzt zählte. Aber als
sie zusammen auf die harte Erde fielen, spürte Rio, wie sein Verstand zerbrach.
Vergangenheit
und Gegenwart begannen zu verschmelzen, sich zu vermischen ... und wurden zu
einem verschwommenen Gewirr von Gedanken.
Plötzlich
war er wieder in dieser Lagerhalle - Lucan, Nikolai und die anderen Krieger
waren dabei, eine Razzia auf ein Roguenest in Boston durchzuführen. Er sah
hinauf zu den Dachsparren des verlassenen Gebäudes und registrierte
Feindbewegungen in den Schatten.
Er sah das
silberne Glänzen eines elektronischen Gerätes, das der Blutsauger in den Händen
hatte. Er hörte, wie Niko eine Warnung rief, dass sie dort oben eine Bombe
scharf gemacht hatten ... Ach, scheiße.
Rio brüllte
auf, als der erinnerte Schmerz in seinem Kopf und jedem Zentimeter seines
Körpers explodierte. Er fühlte sich, als stünde er in Flammen, Fleisch brannte,
seine Atemwege füllten sich mit dem scharfen Gestank von versengter Haut und
Haaren.
Kühle Hände
legten sich auf sein Gesicht, aber er war zu weit weg, um zu erkennen, was real
war und was ein Albtraum seiner jüngsten Vergangenheit.
„Rio?“
Er hörte
eine leise Stimme, spürte, wie diese beruhigenden Hände über sein Gesicht
strichen.
Und, von
nicht weit weg, das Johlen und Hohngelächter einiger Jugendlicher. Es war
begleitet vom Geräusch von Turnschuhen auf Asphalt, die sich nun schnell
entfernten.
„Rio. Bist
du in Ordnung?“
Er kannte
die Stimme. Sie drang durch den anschwellenden Wahnsinn, der ihn umgab, eine
Rettungsleine, die ihn im Dunkel seines Verstandes zugeworfen wurde. Er griff
nach ihr, spürte, wie ihre Stimme ihm wieder Boden unter den Füßen gab, wo
nichts anderes das jemals geschafft hätte.
„Dylan“,
konnte er zwischen keuchenden Atemzügen stammeln.
„Will nicht,
dass dir was passiert ...“
„Ich bin
okay. Das waren nur Knallfrösche.“ Sie streichelte mit den Fingern über seine
kalte, klamme Stirn. „Diese Jungs haben sie am Geländer losgehen lassen. Es ist
jetzt okay.“
Von wegen.
Er spürte, wie
einer seiner Anfälle aufzog, und zwar unmittelbar jetzt.
Mit einem
Aufstöhnen rollte er sich von Dylan fort. „Scheiße ... mein Kopf ... kann nicht
klar denken ...“
Sie musste
sich zu ihm gebeugt haben, denn er fühlte ihren Atem auf seiner Wange, als sie
einen leisen Fluch ausstieß. „Deine Augen, Rio. Scheiße, sie verändern sich ...
sie glühen gelb.“
Er wusste
wohl, dass sie das taten. Seine Fangzähne schnitten ihm in die Zunge, seine
Haut überall am Körper wurde ihm zu eng, als Wut und Schmerz ihn transformierten.
So war er am tödlichsten, wenn sein Verstand nicht mehr ihm gehörte. Wenn seine
Teufelshände am unberechenbarsten waren und ihre magische Kraft am größten.
„Wir müssen
dich irgendwohin bringen, wo uns niemand sieht“, sagte Dylan. Sie schob die Hände
unter seine Schultern. „Halt dich an mir fest. Ich helfe dir aufzustehen.“
„Nein.“
„Was soll
das heißen, nein?“
„Lass mich“,
keuchte er.
Dylan stieß
ein verächtliches kleines Schnauben aus. „Klar werd ich das. Du kannst hier so
nicht liegen bleiben, mitten in Manhattan, und erwarten, dass keiner dich
bemerkt. Komm jetzt. Aufstehen.“
„Ich ...
kann ... will dich nicht anfassen. Will dir nicht wehtun, Dylan.“
„Dann tu's
eben nicht“, sagte sie und machte sich daran, ihn auf die Füße zu wuchten.
Rio blieb nichts
anderes übrig, als seine Hände auf ihre Schultern zu legen, um aufrecht stehen
zu können, denn nun wurde der Nebel in seinem Verstand dichter und nahm ihm die
Sicht. Er kämpfte gegen den Anfall an, wusste, dass Dylan am sichersten war,
wenn er bei Sinnen blieb. „Stütz dich schon auf mich, verdammt“, befahl sie
ihm.
„Ich bring
dich in Sicherheit.“
Dylan
zwängte sich unter Rios Arm und nahm sein Handgelenk in die Hand, lud sich so
viel von seinem Gewicht auf, wie sie nur konnte, während sie überlegte, wohin
sie ihn bringen konnte, welcher Ort abgeschieden genug war, dass er sich dort
von dem Nachbeben des Anfalls erholen konnte, der ihn überkommen hatte. Sie
führte
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