Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
dauerte lange, bis er
ihn löste. Doch selbst, als er den Kopf wieder hob, konnte er nicht aufhören,
ihr Gesicht zu streicheln. Er konnte sie nicht loslassen.
Eine Gruppe
Jugendlicher schlurfte auf der Promenade an ihnen vorbei, halbwüchsige
Raufbolde in übergroßen Sachen, sie redeten laut und rempelten einander im
Gehen an. Rio behielt sie im Blick, sein Argwohn wuchs, als er der Gang zusah,
wie sie am Eisengeländer stehen blieb und die Jungs abwechselnd ins Wasser
spuckten. Sie wirkten nicht sonderlich gefährlich, aber schienen doch von dem
Schlag zu sein, der immer auf Unfug aus ist. „Demetrio?“
Rio sah
verwirrt zu Dylan hinunter. „Hmm?“
„Komm ich
schon näher ran? An deinen richtigen Namen, meine ich ... heißt du Demetrio?“
Er lächelte
und konnte nicht widerstehen, ihre sommersprossige Nasenspitze zu küssen.
„Nein, so heiße ich nicht.“
„Okay. Nun,
dann heißt du vielleicht ... Arrio?“, riet sie und strahlte im Mondlicht zu ihm
auf, als sie sich etwas aus seinen Armen löste.
„Eleuterio“,
sagte er.
Ihre Augen
weiteten sich. „Eleo ... wie?“ „Mein vollständiger Name lautet Eleuterio de la
Noche Atanacio.“
„Wow.
Dagegen hört Dylan sich wirklich etwas banal an, was?“
Rio lachte
leise. „Nichts an dir ist banal, das kann ich dir versichern.“
Ihr Lächeln
war überraschend schüchtern. „Also, was bedeutet er - dieser wundervolle Name?“
„Frei
übersetzt in etwa ,frei geboren aus der immerwährenden Nacht'.“
Dylan
seufzte. „Das ist wunderschön, Rio. Mein Gott, deine Mutter muss dich angebetet
haben, dir so einen Wahnsinnsnamen zu geben.“
„Das war
nicht meine Mutter. Sie wurde getötet, als ich noch klein war. Der Name kam
später, von einer Stammesfamilie, die in einem Dunklen Hafen in meiner Heimat
lebte. Sie fanden mich und zogen mich auf wie ein eigenes Kind.“
„Was ist mit
deiner Mutter passiert? Ich meine, du musst es mir nicht erzählen, wenn du ...
Ich weiß, ich frage einfach zu viel“, sagte sie und zuckte entschuldigend die
Schultern.
„Nein, es
macht mir nichts aus, darüber zu reden“, sagte er und fand es bemerkenswert,
dass es ihm damit wirklich ernst war.
Grundsätzlich
redete er nicht gerne über seine Vergangenheit.
Niemand im
Orden kannte die Einzelheiten über seine schreckliche Kindheit, nicht einmal
Nikolai, sein bester Freund. Es hatte keinen Grund gegeben, mit Eva darüber zu
reden, da sie sich in dem spanischen Dunklen Hafen getroffen hatten, wo Rio
aufgewachsen war.
Sie kannte seine
schmachvolle Geschichte.
Eva war so
taktvoll gewesen, über die hässlichen Tatsachen seiner Geburt und die Jahre
hinwegzusehen, die er als Findling verbracht hatte, in denen er getötet hatte,
weil er musste, weil er es nicht besser wusste. Der junge Wilde, der er gewesen
war, bevor man ihn in den Dunklen Hafen gebracht und ihm gezeigt hatte, wie man
besser lebte als das Tier, zu dem er geworden war, um allein zu überleben. Rio
wollte nicht, dass Dylan ihn ängstlich oder angewidert ansah, aber ein größerer
Teil von ihm wollte ihr die Wahrheit sagen . Wenn sie seine äußerlichen
Narben ansehen konnte und ihn nicht verachtete, war sie vielleicht auch stark
genug, die Narben zu sehen, die sein Inneres verunstalteten.
„Meine
Mutter lebte am Rand eines sehr kleinen Dorfes in der spanischen Provinz. Sie
war noch ein Mädchen - vielleicht sechzehn -, als sie von einem Vampir
vergewaltigt wurde, der zum Rogue mutiert war.“ Rio sprach leise, damit niemand
mithören konnte, aber die Menschen, die ihnen am nächsten standen - die
jugendlichen Rowdys, die sich in einigen Metern Entfernung immer noch auf der
Promenade amüsierten -, hörten sowieso nicht zu. „Der Rogue hat sie gebissen,
als er sie schändete, aber meine Mutter wehrte sich. Anscheinend hat sie ihn
auch gebissen. Genug von seinem Blut kam in ihren Mund und danach in ihren
Körper. Weil sie eine Stammesgefährtin war, resultierte die Kombination von
Blut und Sperma in einer Schwangerschaft.“
„Du“,
flüsterte Dylan. „Oh Gott, Rio. Wie schrecklich, was sie durchmachen musste.
Aber immerhin hat sie dich doch geboren.“
„Es war ein
Wunder, dass sie mich nicht hat wegmachen lassen“, sagte er, sah auf den
schwarzen, glänzenden Fluss hinaus und erinnerte sich an die Qualen seiner
Mutter über das grässliche Ding, das sie da geboren hatte. „Meine Mutter war
ein einfaches Mädchen vom Land. Sie hatte keine Bildung, nicht im
traditionellen Sinn jedenfalls
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