Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
kam
nicht einmal bis zur Tür. Jakuts Hand schloss sich wie eine Schraubzwinge um
ihr Handgelenk und hielt sie zurück.
„Du nicht,
Renata. Du bleibst."
Sie sah ihn
an und hoffte inständig, dass nichts von der Übelkeit in ihrem Blick zu lesen
war, die sie so mühsam niederkämpfte. „Ich dachte, wir wären hier fertig. Ich
dachte, vielleicht sollte ich mit den anderen gehen, nur um sicherzustellen,
dass der Krieger bei seinem Weg vom Grundstück nicht auf dumme Gedanken
kommt."
„Du bleibst
hier." Angesichts von Jakuts Lächeln gefror ihr das Blut in den Adern.
„Vorsicht, Renata. Ich möchte auch nicht, dass du auf dumme Gedanken
kommst."
Sie
schluckte an dem Kloß kalten Unbehagens, der ihr plötzlich im Hals saß.
„Bitte?"
„Es wird dir
leidtun", antwortete er, und sein Griff auf ihrem Arm verstärkte sich.
„Deine Gefühle verraten dich, meine Schöne. Ich kann die Beschleunigung deiner
Herzfrequenz spüren, den Adrenalinstoß, der dir durch die Adern jagt, selbst
jetzt noch. Ich habe die Veränderung in dir gespürt von dem Moment an, als der
Krieger eben den Raum betreten hat, und auch schon früher. Würdest du mir
sagen, wo du heute Nacht gewesen bist?"
„Beim
Training", erwiderte sie, schnell, aber bestimmt.
Sie durfte
ihm keinen Anlass geben, an ihr zu zweifeln, und im Grunde war es ja die
Wahrheit. „Bevor du Lex geschickt hast, mich zu rufen, war ich draußen und habe
im alten Zwinger meine Trainingseinheiten gemacht. Es war ein anstrengendes
Training. Wenn du irgendetwas an mir gespürt hast, dann kam es wohl
daher."
Ein langes
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, und immer noch blieb der harte
Griff um ihr Handgelenk.
„Du weißt,
wie wichtig mir deine Loyalität ist, nicht wahr, Renata?"
Sie schaffte
es, kurz zu nicken.
„So wichtig
wie dir das Leben dieses Kindes, das drüben in seinem Zimmer schläft",
sagte, er kalt. „Ich denke, es würde dich kaputt machen, wenn sie auf der
Knochenhalde enden sollte."
Bei dieser
Drohung gefror Renata das Blut in den Adern.
Sie sah auf
und starrte in die bösen Augen eines Monsters - das sie nun voll perversem
Vergnügen angrinste.
„Wie ich
schon sagte, liebe Renata: Wage dich nicht zu weit vor."
9
Die Stadt
Montreal, benannt nach dem breiten Bergrücken, der einen so königlichen
Ausblick über das Tal mit dem Sankt-Lorenz-Strom bietet, glitzerte unter der
schmalen Mondsichel wie eine Schale voller Juwelen. Elegante Wolkenkratzer.
Gotische
Kirchturmspitzen. Grüne Parkanlagen und in der Ferne ein schimmerndes
gewundenes Band aus Wasser, das sich schützend um die Stadt schmiegte. Die
Aussicht war in der Tat spektakulär.
Kein Wunder,
dass sich der Leiter des Dunklen Hafens von Montreal dafür entschieden hatte,
sein Anwesen so nah am Gipfel des Mont Royal zu errichten.
Wenn man
hier auf dem barocken Kalksteinbalkon vor dem Salon im ersten Stock des
Anwesens stand, schien das alte Jagdhaus Tausende von Meilen entfernt. Tausende
von Jahren schienen zwischen ihm und diesem Urbanen, zivilisierten Lebensstil
zu liegen. Und natürlich war es auch so.
Das Warten
auf Edgar Fabien, den Stammesvampir, der die Geschicke der Vampirbevölkerung
von Montreal lenkte, kam ihm endlos vor. Fabien war in der Stadt gut bekannt,
und Gerüchten zufolge verfügte er über äußerst gute Beziehungen, sowohl in den
Dunklen Häfen als auch in der Agentur. In einer so heiklen Angelegenheit wie
dieser war er der erste Ansprechpartner.
Trotzdem war
es ein Glücksspiel, ob der Leiter des Dunklen Hafens kooperieren würde. Dieser
spontane, unangekündigte Besuch so spät in der Nacht war extrem riskant.
Allein schon
durch seine Anwesenheit hier bezog er Position als Feind von Sergej Jakut. Aber
er hatte genug gesehen. Genug erduldet.
Der Prinz
hatte es ein für alle Mal satt, seinem Vater weiter die Stiefel zu lecken. Es
war an der Zeit, den tyrannischen König zu stürzen.
Lex drehte
sich um, als sich aus dem Salon Schritte näherten. Fabien war ein schmaler
Mann, groß und mit so peinlicher Sorgfalt gekleidet, als wäre er schon in einem
Maßanzug und glänzenden Slippern zur Welt gekommen.
Sein aschblondes
Haar war mit einer parfümierten Pomade aus dem Gesicht gekämmt, und als er Lex
zur Begrüßung anlächelte, trat das Vogelhafte seiner dünnen Lippen und schmalen
Züge noch stärker hervor.
„Alexej
Jakut", sagte er, trat zu Alexej auf den Balkon hinaus und reichte ihm die
Hand. An seinen langen Fingern trug er nicht weniger als
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