Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
Knochen. Verkehr
rauschte auf der Straße vor der Gasse vorbei, Bremsen kreischten, Motoren
stießen eine Übelkeit erregende Mischung von Abgasdämpfen, erhitztem Gummi und
verranntem Öl aus.
„Wie lange
willst du das noch hinziehen, Schätzchen?
Weißt du,
Geduld ist nicht meine Stärke.“ Sein Tonfall war beiläufig, aber die Drohung
hätte nicht deutlicher sein können. Er spannte den Hahn seiner Waffe, bereit,
die Nacht zu ihrem blutigen Ende zu bringen. „Gib mir einen guten Grund, warum
ich diesem Arschloch nicht das Hirn voller Blei pumpen soll.“
„Weil er
mein Sohn ist.“ Die tiefe Männerstimme kam aus halber Höhe der düsteren Gasse.
Keinerlei Emotion schwang in diesen Worten mit, aber sie klangen bedrohlich und
wurden mit einem starken Akzent gesprochen - dem kalten kehligen Tonfall von
Sergej Jakuts sibirischer Heimat.
3
Nikolai warf
den Kopf herum und sah, wie sich Sergej Jakut in der schmalen Gasse näherte.
Der Gen Eins-Vampir ging vor zwei nervös wirkenden Bodyguards her, sein
starrer, unerschrockener Blick glitt lässig von Niko zu dem Stammesvampir, den
er immer noch mit vorgehaltener Waffe bedrohte. Niko nickte ihm grüßend zu,
sicherte die Pistole wieder und ließ sie langsam sinken. Sobald er seinen Griff
lockerte, schüttelte Jakuts Sohn ihn mit einem geknurrten Fluch ab und brachte
sich schnell außer Reichweite.
„Unverschämter
Mistkerl“, knurrte er giftig. Er platzte fast vor Wut, jetzt, da er sich in
sicherer Entfernung befand.
„Ich habe
Renata gesagt, dass der Kerl gefährlich ist, aber sie wollte nicht auf mich
hören. Lass ihn mich für dich umlegen, Vater. Er soll krepieren wie ein Hund.“
Jakut nahm
weder von seiner Bitte noch von seiner Anwesenheit überhaupt irgendeine Notiz
und schritt stattdessen schweigend auf Nikolai zu, der abwartend dastand.
„Sergej
Jakut“, sagte Niko, drehte die gesicherte Pistole um und bot sie ihm in einer
Friedensgeste. „Dein kleines Empfangskomitee hat es wirklich in sich. Es tut
mir leid, dass ich einen deiner Männer ausschalten musste, aber er hat mir
keine Wahl gelassen.“
Jakut ließ
lediglich ein Grunzen hören, nahm die Pistole und reichte sie dem Bodyguard
weiter, der ihm an nächsten stand. In seiner dünnen Baumwolltunika und den
abgetragenen Lederhosen, die aussahen, als wären sie aus ungegerbten Tierhäuten
gemacht, mit seinem hellbraunen Haar und dem wilden und zottigen Bart wirkte
Sergej Jakut wie ein mit allen Wassern gewaschener feudaler Kriegsherr aus
einem lang vergangenen Jahrhundert.
Und doch war
trotz seines faltenlosen Gesichts und seiner groß gewachsenen, muskulösen Statur,
die ihn höchstens wie Anfang vierzig wirken ließen, das dichte Muster von
wirbelnden, verschlungenen Dermaglyphen, das sich seine nackten Unterarme
hinunterzog, das einzige Anzeichen dafür, dass Jakut einer der Ältesten des
Stammes war. Als Gen Eins-Vampir konnte er über tausend Jahre alt sein.
„Krieger“,
sagte Jakut finster, sein Blick unerschütterlich und auf sein Ziel gerichtet
wie doppelte Laserstrahlen. „Ich habe dir gesagt, dass du nicht herkommen
sollst. Du und der Rest des Ordens verschwendet nur eure Zeit.“
Aus dem
Augenwinkel bemerkte Niko, dass Jakuts Sohn und der Rest seiner Bodyguards sich
überrascht ansahen.
Besonders
die Frau - Renata hieß sie - schien völlig verblüfft zu hören, dass er ein
Krieger war, ein Angehöriger des Ordens. Doch ebenso rasch, wie das Erstaunen
in ihren Augen aufgeblitzt war, verschwand es auch wieder, beinahe so, als
hätte sie sich gezwungen, jede Gefühlsregung aus ihrem Gesicht zu verbannen.
Sofort war sie wieder ruhig und gelassen, sogar kalt, wie sie so hinter Sergej
Jakut stand und ihn beobachtete, die Waffe immer noch im Anschlag, ihre Haltung
zögernd, bereit, jeden seiner Befehle umgehend auszuführen.
„Wir
brauchen deine Hilfe“, sagte Nikolai zu Jakut. „Und wenn man bedenkt, was
derzeit ganz in unserer Nähe in Boston und anderswo in der Vampirbevölkerung
passiert, wirst auch du unsere Hilfe brauchen. Die Gefahr ist akut, und sie ist
tödlich. Du bist in Lebensgefahr, selbst jetzt.“
„Was weißt
denn du darüber?“ Jakuts Sohn sah Niko finster und anklagend an. „Wie zur Hölle
kannst du irgendetwas darüber wissen? Wir haben niemanden von dem Anschlag
letzte Woche erzählt …“
„Alexej.“
Der Klang seines Namens aus dem Mund seines Vaters brachte den jungen Jakut so
prompt zum Verstummen, als hätte sich eine Hand über
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