Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
vielen Jahren
schwelte, war kein Schock für ihn. Aber er konnte kaum etwas davon aufnehmen,
denn nun sickerte ihm die Bedeutung dessen, was Claire getan hatte - was sie
bereit gewesen war, für ihn in Kauf zu nehmen - , wie heißes Öl ins Herz. „Hast
du irgendeine Ahnung, wie sehr es mich verletzt hätte, wenn er dein Angebot
angenommen hätte?“
„Wahrscheinlich nicht so sehr, wie es mich
verletzen wird, wenn du umkommst bei deinem Versuch, ihn zu vernichten.“
Reichen wusste, dass er das verdient hatte. Was
ihn jedoch nicht davon abhielt, ihr den Weg zu verstellen, als sie erneut
versuchte, sich an ihm vorbeizudrücken. „Du gehst nicht in seine Nähe, Claire.
Nicht mit dem Orden und nicht mal mit einer kompletten verdammten Armee an
deiner Seite. Ich hab gehört, was du da drinnen gesagt hast, und ich weiß, dass
du mithelfen willst, ihn zur Strecke zu bringen, aber du wirst das
Hauptquartier nicht verlassen, solange Roth noch irgendwo da draußen ist. Ich
verbiete es dir.“
Sie starrte ihn an. „Wie bitte? Du verbietest...“
„Ich werde dir das nicht erlauben.“
„Und ich frage dich nicht um Erlaubnis“,
konterte sie. Ihr Zorn pulsierte so heftig in ihren Adern, dass er ihn wie ein
Echo seiner eigenen Wut spüren konnte.
„Nach dem, was ich heute in Roths Traum gesehen
habe, muss ich dem Orden dabei helfen, ihn auszuschalten. Mit allen meinen
Kräften. Gerade du solltest das doch verstehen.“
Reichen schüttelte den Kopf. Er weigerte sich,
es auch nur in Erwägung ziehen. „Du tust das nicht, Claire. Das kann ich nicht
zulassen.“
Sie starrte ihn eine ganze Weile an, dann fiel
ihr Blick auf etwas hinter seinem Rücken am anderen Ende des Korridors. „Deine
Kameraden warten auf dich.“
Er drehte sich um und sah Tegan, Rio und einige
der anderen Krieger neben dem Fahrstuhl stehen, der sie nach oben bringen
würde. Mit einem Nicken signalisierte er ihnen, dass er noch einen Moment
brauchte. Doch als er wieder zu Claire sah, stand sie nicht mehr vor ihm,
sondern ging entschlossen den Korridor hinunter.
„Verdammt“, murmelte er vor sich hin.
Dann wandte er sich erneut zu den Kriegern um
und verfiel in Laufschritt, um sich ihnen auf ihrer nächtlichen Patrouille
anzuschließen.
Wilhelm Roth spürte den kalten, emotionslosen
Blick von fünf Gen-Eins-Killern auf sich ruhen, während er in Dragos' unterirdischem
Labor noch einmal die Technik überprüfte. Alles war an Ort und Stelle, exakt
so, wie es ihm aufgetragen worden war.
Nun konnte er nur noch warten. Warten und
hoffen, dass Claire gerade beim Orden war und sich darüber beklagte, wie übel
er sie und Andreas Reichen behandelt hatte, und den Kriegern alles erzählte,
was sie bei ihrem verdammten Traumspaziergang gesehen hatte.
So schwer es auch sein mochte, Dragos'
versteckten Schlupfwinkel ausfindig zu machen, war der Orden doch einfallsreich
und entschlossen. Und auf eben diese Eigenschaften baute Dragos, um einen Teil
der Ordensbrüder in die Falle zu locken, die er und Roth ihnen gestellt hatten.
Claires Blutsverbindung zu Roth und ihr
lächerliches Ehrgefühl würden den Rest erledigen.
Roth war sich darüber im Klaren, dass seine
Zukunft vom Erfolg seines bevorstehenden Offensivschlages gegen die Krieger
abhing. Wenn er misslang und ihn nicht einer der Killer erledigte, die
beauftragt waren, ihm zu helfen, würde es Dragos mit Sicherheit selbst tun.
Während er ein letztes Mal die Zünder und Sprengsätze kontrollierte, fragte er
sich, ob man ihn mit einem Selbstmordkommando betraut hatte.
Er hatte jedoch nicht die Absicht, hier zu
sterben.
Die Krieger hingegen...
Wenn sie erst einmal in seine Falle getappt waren,
hatte keiner von ihnen auch nur die geringste Chance, lebend wieder
herauszukommen. Er konnte nur hoffen, dass der Orden all seine Mitglieder auf
ihn ansetzte. Was für ein Spaß es werden würde, den ganzen Trupp auf einen
Schlag krepieren zu sehen.
Und noch besser, wenn auch Claire und ihr
wieder mit ihr vereinter Liebhaber darunter waren.
Befriedigt, dass alles im Labor bereit war,
steuerte Roth die Gefängniszone mit UV-Licht an, um auch dort alles ein letztes
Mal zu überprüfen. Er wollte, dass alles perfekt war für die bevorstehende
Ankunft des Ordens... und dessen Untergang.
Es war viel zu ruhig.
Den größten Teil der Nacht hatten Lucan und der
Rest des Ordens damit verbracht, die Stadt nach Hinweisen auf Dragos oder die
Gen-Eins-Killer zu durchkämmen, die er anscheinend auf die Straßen
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