Midnight Man (02) – Gefährliche Mission
Todes war schwer zu sagen, ob er ein gutaussehender Mann gewesen war. Die Augen waren braun, die Haut ringsherum sehr faltig, aber mehr von der Sonne als vom Alter. Er hatte schiefe, gelbliche Zähne. Ein Eckzahn war halb vor den Schneidezahn gewachsen. Die Haare waren dunkelbraun, glatt und von wenigen grauen Strähnen durchzogen.
Bud beobachtete Suzannes Mimik. »Nun?«
Noch ein, zwei Minuten lang betrachtete sie den Toten voller Abscheu, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich habe den Mann noch nie im Leben gesehen«, sagte sie bestimmt.
»John?«
John hatte nur einmal kurz hingesehen und sich gleich wieder auf die Umgebung konzentriert. Er schüttelte den Kopf. »Kenne ihn nicht.«
Bud stand auf. »Tja, du kennst ihn nicht, Suzanne, aber er kannte dich. Ich muss dir ein paar Fragen stellen. Dir übrigens auch, John«, fügte er mit leiser Ironie hinzu.
Was für Fragen er an John haben würde, konnte sie sich denken, da dessen Messer aus dem Hals des Toten ragte.
»Gehen wir doch zum Sofa«, sagte John und lenkte Suzanne dorthin. Sie begriff, dass er sie abschirmen wollte, denn von der Couch aus wäre der Tote nicht zu sehen.
Er ließ sich mit ihr zusammen auf dem Zweisitzer nieder, wo er zwei Drittel des Platzes einnahm, und hielt den linken Arm um sie gelegt, sodass sie mit der rechten Seite an ihn geschmiegt saß. Es fühlte sich gut an. Sie musste sich sogar zusammenreißen, um sich nicht an seine Brust zu drücken und bei seiner Stärke Zuflucht zu suchen.
An seinem harten Gesichtsausdruck hatte sich nichts geändert. Die schwarze Pistole hatte er auf den Sofatisch gelegt, mit dem Kolben zu sich, sodass er sie notfalls sofort ergreifen könnte. Zwar saß er, aber sie spürte seine sprungbereite Anspannung. In regelmäßigen Abständen schweifte sein Blick durch den Raum. Ihr war klar, dass er jeden einzelnen Mitarbeiter der Spurensicherung, die im ganzen Zimmer beschäftigt war, gemustert hatte und jeden Gegenstand im Auge behielt. Und gleichzeitig achtete er auf sie.
Er schützte sie, aber er tröstete sie nicht. Abgesehen von der körperlichen Nähe war er so fern und unberührbar als säße er auf dem Mond.
Bud setzte sich ihr gegenüber und sah sie ernst an, dann warf er einen Blick auf John und zog sein Notizbuch heraus.
»Okay, wollt ihr mir schildern, was passiert ist?«
John drehte den Kopf. Du zuerst, sagte sein Blick.
Na gut.
Sie strich sich durch die Haare, die noch immer ein bisschen unordentlich waren. Die raschen Bürstenstriche vor dem Badezimmerspiegel hatten sie nicht ganz glätten können. Immerhin hatte sie sich das Gesicht gewaschen und die Zähne geputzt, was für ein bisschen Wohlgefühl sorgte. Sie richtete sich auf und ließ die Hand sinken. Sie traf auf eisenharte Muskeln. Johns Oberschenkel. Als sie die Hand hastig zurückzog, schnappte er sie und hielt sie fest.
Seine Handfläche war schwielig, die Finger schlossen sich fest um ihre. Verblüfft, wie sehr sie das beruhigte, zog sie die Hand nicht weg.
Bud sah es natürlich, machte aber keine Bemerkung dazu. Er sah sie nur abwartend an. »Wo soll ich anfangen?«, fragte Suzanne.
»Berichte am besten, wie du gestern Abend nach Hause gekommen bist. Was hast du getan?« Ein panischer Schreck durchfuhr sie. Bud sah sie so gespannt an. Wieso fragte er sie nach dem gestrigen Abend?
»Gestern Abend?«, hauchte sie bestürzt.
Um Himmels willen, wie sollte sie darauf antworten? Dieser leidenschaftliche Sex, das würde sie nicht vor Bud ausbreiten. Und woher wusste er überhaupt, dass John und sie –
Oh.
Es war nach Mitternacht. Der gestrige Abend war erst ein paar Stunden her. Er wollte gar nicht wissen, was John und sie im Flur getrieben hatten. Er wollte wissen, wie sie auf den Killer gestoßen war. Darüber ließ sich ein bisschen leichter reden als über Sex.
»Wie hast du den Tag verbracht? Ist dir aufgefallen, dass dir jemand gefolgt ist? Ist etwas Ungewöhnliches vorgefallen?«
»Nein, natürlich nicht.« Ihr jemand gefolgt? Was für eine lächerliche Idee. Sie wollte schon den Kopf schütteln, dann dachte sie darüber nach. Sie war in eine neue Welt geraten, deren Regeln sie nicht kannte und in der ihr die lebenserhaltenden Instinkte fehlten. In dieser Welt konnte alles passieren. »Nun ja«, räumte sie dann ein, »vielleicht ist mir jemand gefolgt und ich habe es nur nicht bemerkt. Das würde mir sicher gar nicht auffallen. An so etwas denke ich überhaupt nicht. Aber wenn mir jemand gefolgt ist, hatte er einen
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