Midnight Man (02) – Gefährliche Mission
knackte das Türschloss, schob den untergeklemmten Stuhl beiseite und schraubte in der nächsten Lampe die Glühbirne hinein.
Braves Mädchen, dachte er, als er am anderen Ende des Zimmers die Schranktür sah. Sie hatte seine Anweisungen ausnahmslos befolgt.
Er knackte das Schloss und blickte in den Kleiderschrank. Zwei große graue Augen in einem weißen Gesicht sahen zu ihm auf, und in seiner Brust krampfte sich etwas zusammen. Einen Moment lang starrten sie einander an, dann sprang Suzanne auf und warf sich ihm in die Arme. Er drückte sie an sich.
Sie war in Sicherheit.
Und so würde es von nun an bleiben.
Suzanne konnte nicht aufhören zu zittern. John hielt sie schließlich so fest an sich gedrückt, als wollte er ihren Schock so in sich aufnehmen. Es kam ihr vor, als hätte sie stundenlang den Atem angehalten; zum ersten Mal konnte sie nun wieder durchatmen.
»Schon besser?«, brummte er an ihrem Ohr. Sie nickte ruckartig.
»Ja«, hauchte sie, biss sich auf die Lippe und löste sich von ihm.
»Gut«, murmelte er. Er hielt sie auf Armeslänge von sich und betrachtete sie genau. Es war nicht der Blick eines gefühlvollen Liebhabers. Er schaute sie kalt, unpersönlich und sehr gründlich an. Suzanne begriff, dass er beurteilen wollte, in welchem Zustand sie war.
Aber erst mal war sie am Leben, dank ihm. Das war mehr, als sie vor ein paar Minuten noch erwartet hatte. Die Angst ließ nach, gleich würde sicher auch das Zittern aufhören. Sie versuchte zu lächeln, und er nickte und ließ die Arme sinken.
Das Lächeln war nicht sehr überzeugend ausgefallen, aber es schien ihn zufriedenzustellen, denn er wandte sich dem Raum zu und schaute sich darin aufmerksam um, ging weiter ins Wohnzimmer. Suchte er einen zweiten Eindringling? Er hatte eine Pistole in der Hand. Er hielt sie locker an der Seite mit dem Lauf nach unten, aber sie wirkte wie eine Verlängerung der Hand. Er bewegte sich leichtfüßig auf den Zehenspitzen, wie ein Tänzer. Sie hatte den Eindruck, dass er auf alles gefasst war, dass ihn nichts und niemand überrumpeln konnte.
Er drückte die Badezimmertür auf, die Pistole neben dem Ohr aufgerichtet, warf einen schnellen Blick durch den Raum, dann zog er die Tür zu. Leise überprüfte er jeden Winkel, aus dem Gefahr drohen könnte, dann kehrte er zu ihr zurück. Erneut musterte er sie, sah ihr Nachthemd und die nackten Füße.
»Ich habe den Einbruch gemeldet, die Polizei wird gleich hier sein. Du willst dir wahrscheinlich etwas anziehen. Nimm warme, bequeme Sachen. Hose, Pullover, Stiefel. Und dann packst du einen kleinen Koffer mit ein paar Garnituren zum Wechseln.«
Koffer? Garnituren zum – warum? Sie war im Begriff zu fragen, als ihr Blick auf sein grimmiges Gesicht fiel.
O-kay.
Er hatte gerade sein Leben riskiert, um sie zu retten. Da konnte sie wohl fraglos eine Tasche packen.
»Gut«, sagte sie ruhig, und er nickte, erfreut über ihre Zustimmung, aber mit einer gewissen Abwesenheit … als horchte er in die Ferne.
Und jetzt hörte sie es auch. Eine Sirene, dann zwei, die schnell näher kamen und fast unerträglich laut wurden. Dann verstummten sie. Zwei Polizeiwagen mit Blaulicht hielten vor dem Haus, und man hörte die Türen schlagen. Ein weiterer Wagen hielt hinter ihnen, und eine große, vertraute Gestalt stieg aus.
Die Polizei war da.
»Ich warte draußen«, sagte John und verschwand durch die Tür. »Beeil dich.«
Suzanne zog sich hastig an. Sie tat, wie er geheißen hatte, und wählte einen dicken Pullover, bequeme Wollhosen und gefütterte Stiefel. Ebenso hastig holte sie ihren kleinen Trolley aus dem Schrank und packte gemäß seiner Anweisung. Zwei Hosen, drei Pullover, ein Paar Stiefel, Unterwäsche und zwei Nachthemden. Beautycase obendrauf, und fertig war sie.
Aus dem Wohnzimmer hörte sie gedämpfte Stimmen, aber alle verstummten, als sie die Tür öffnete. Mit dem Rollkoffer hinter sich trat sie ins Zimmer und blieb abrupt stehen.
Sie stand da und starrte.
Der Einbrecher war nach rechts neben die Tür gefallen. Ein Stückchen weiter links, und er hätte sie blockiert.
Suzanne hatte bisher erst einen Toten gesehen, und das war Uroma Bodine gewesen, die mit 93 Jahren friedlich im Schlaf gestorben und im offenen Sarg aufgebahrt worden war. Dieser Mann dort war nicht friedlich gestorben.
Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, eine Hand gekrümmt, die andere an dem schwarzen Messer, das in seinem Hals steckte. Es musste die Halsschlagader
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