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Miese Chefs

Miese Chefs

Titel: Miese Chefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan White
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nicht der Weg des Tyrannen. Auf männlich-schwungvolle Art schlägt Gordon die Decke zurück, schwingt die Beine aus dem Bett, stößt sich sein linkes Knie am Nachttisch und wirft dabei ein Glas Wasser um, das seinen Inhalt über einige wichtige Papiere ergießt. Einen Fuß spießt er sich an einem besonders spitzen Legostein auf.
    Gordon lächelt – das wird ein mieser Tag. Er ist erst seit 30 Sekunden wieder bei Bewusstsein und schon in der Stimmung, die er braucht.
    Sehen Sie, die meisten von uns stehen morgens einfach nur auf. Nicht so die echten Tyrannen. Sie planen und arrangieren jeden Aspekt ihres Tagesablaufs, um so dafür zu sorgen, dass sich ein Maximum an Tyrannei mit geringstmöglichem Aufwand erzielen lässt. Früher baute Gordon noch bewusst Hindernisse auf dem Weg seiner frühmorgendlichen Rituale auf, aber mittlerweile ist ihm dies zur zweiten Natur geworden.
    Ein wohlplatziertes Möbelstück, ein Teller mit einem Marmeladenbrot auf dem Fußboden, selbst ein paar Kinderspielzeuge – all das lässt sich als würdiger Gegner verwenden, bevor das Gehirn begonnen hat, richtig zu arbeiten. Gordon weiß, dass er nicht davon ausgehen kann, von Anfang an in Topverfassung zu sein, aber dank seiner Sorgfalt und Umsicht hinsichtlich der Details ist er bereit, sich um den ersten Geschäftspunkt des Tages zu kümmern.
    Die wahren Tyrannen verwalten und arrangieren jeden Aspekt ihres Tagesablaufs, um so für ein Maximum an Tyrannei zu sorgen.
    Gordon geht nach unten ins Büro. Es ist klein, aber er benutzt es ohnehin nur frühmorgens und an Wochenenden. Er fährt den Computer hoch und konsultiert eine Tabelle, seinen allmorgendlichen Berater. Auf dieser sind sorgfältig und nach Farben sortiert seine frühmorgendlichen Anrufe dokumentiert. In der obersten Zeile befindet sich eine Serie von Zeitslots von drei Uhr morgens bis sechs Uhr morgens. Der Slot für drei Uhr morgens ist in wütendem Rot markiert, das langsam in Richtung eines milderen senffarbenen Tons für sechs Uhr morgens verblasst. Für den heutigen Tag steht ein Anruf bei Mike auf dem Programm, seinem Pressesprecher.
    Mike weiß nichts davon und schläft vermutlich noch. Gordon zieht eine weitere Spalte zurate, um zu überprüfen, was Mike in den letzten Monaten an frühmorgendlichen Anrufen abbekommen hat. Da war ein »verlorene E-Mail«-Anruf um drei Uhr und ein »ab in eine weit entfernte Stadt«-Anruf um sechs Uhr. Der Zeitplan enthält den Hinweis, dass Mike schon länger keinen »willkürlicher Anschiss«- und keinen »obskure/undurchführbare Aufgabe«-Anruf mehr erhalten hat. Gordon entscheidet sich für »zufälliger Anschiss« und geht eine Liste potenzieller Themen durch, bevor er Mikes Nummer auf seinem Schreibtischtelefon wählt. »Mike, hab ich dich aufgeweckt? Gut. Es wird Zeit, dass wir uns über die Qualität deiner Arbeit unterhalten …«
    Das ist Herrschaft für Fortgeschrittene. Gordon überlässt seine frühmorgendlichen Anrufe nicht dem Zufall. Vielmehr besteht ein detaillierter Zeitplan, was wer wann erhalten hat. So ist sichergestellt, dass Gordon all seine Leute gleich behandelt und niemand bevorzugt wird. Jedes Mitglied seiner Führungscrew kriegt regelmäßig zur selben unsozialen Zeit einen Anruf oder eine Nachricht, und zwar zu einem Thema von persönlicher Kompetenz bis hin zu undurchführbaren Aufgaben.
    Gordon nimmt sein Tyrannentum wirklich ernst und widmet ihm viel Aufmerksamkeit.
    Gordon nimmt sein Tyrannentum wirklich ernst und widmet ihm viel Aufmerksamkeit. Er hat begriffen, dass diese Anrufe seinem Team den richtigen »Schliff« geben und ganz klar für ein Klima der Höchstleistungen sorgen, in dem jeder sich anstrengt, das Beste zu geben. Doch was tut unser mieser Chef als Nächstes?
    Gordon legt mit einem Knall den Telefonhörer auf, während Mike noch lahme Argumente vorbringt, und geht in die Küche, um Kaffee zu kochen und Toast zu machen. Die Morgenzeitung muss erst noch geliefert werden – eigentlich wäre sie um 5:30 Uhr fällig. Es ist 5:35 Uhr. Gordon gerät nicht im Geringsten aus dem Tritt.
    Bewaffnet mit einem Stück Toast, Schlappen und seinem Morgenrock verlässt er das Haus und geht drei Türen weiter die Straße hinunter, um seinem Zeitungshändler einen Besuch abzustatten. Toastkrümel spuckend wie ein isländischer Vulkan, beschimpft er den Besitzer des Zeitungsstandes für seinen abscheulichen Mangel an Service. Er nimmt sich eine Ausgabe der Zeitung, die eigentlich bereits bei ihm zu

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