Mieses Karma
Durch den Kuss hatte ich endgültig erkannt, dass ich nur Alex liebte.
Mit Daniel Kohn, das war kribbelnd, das war aufregend, das war ein Abenteuer.
Aber mit Alex … das war die wahre Liebe.
Endlich hatte ich meine Gefühle sortiert!
Dumm nur, dass Alex mich zum Teufel gejagt und gefeuert hatte. Ich hatte keinen Job, kein Geld und durfte Lilly nicht mehr
sehen.
Am nächsten Morgen ging ich wieder zu unserem Haus. Ich hatte zwar keinen Plan, aber dafür die Hoffnung, dass Alex jetzt vielleicht
milder gestimmt sein würde. Doch er war gar nicht da. Lilly auch nicht. Und Nina erst recht nicht. Die Türen waren verschlossen.
Die Fenster ebenfalls. Was war da los?
«Casanova», rief ich, und er sprang aus dem Baum auf mich zu.
«Wo sind sie alle hin?», fragte ich ihn nervös. Wenigstens |257| war meine Nase mittlerweile abgeschwollen, und ich konnte wieder deutlich reden.
«Miau, miauuuu, miaaa», antwortete der Signore.
Das half nicht sonderlich weiter.
«Miau, miaaaa, miauuu», miaute er weiter und sprang dabei wie wild umher.
Diese Inter-Spezies-Kommunikation konnte einen in den Wahnsinn treiben.
Der Signore überlegte, tigerte auf und ab, da schien ihm eine Idee zu kommen. Er begann zu buddeln.
«Willst du was ausgraben?»
Er schaute mich nur strafend an und buddelte dann weiter. 27 Das letzte Mal hatte ich ihn graben gesehen, da war er noch eine Ameise und wollte …
«Du willst fliehen?», fragte ich irritiert.
Er rollte genervt seine Kateraugen.
«Okay, okay, war blöd. Aber damals hast du dich auch aus dem Ameisengefängnis gegraben, und als du noch ein Mensch warst,
aus den Bleikammern …»
«Miau!!» Er stellte den Schweif hoch und blickte mich entschlossen an.
«Bleikammern? Was ist mit den Bleikammern?»
Er schaute ungeduldig. Und dann fiel endlich der Groschen. Ich wusste, wo meine Familie war!
24
Aus Casanovas Erinnerungen: Zu diesem Zeitpunkt verfluchte ich, dass Selbstmord aus Liebeskummer keinen Sinn macht. Man wird
ja leider wiedergeboren.
25
Aus Casanovas Erinnerungen: Als sich Madame Kim zu erkennen gab, dachte ich: Selbst Rubens wäre diese Dame zu rubenshaft gewesen.
26
Aus Casanovas Erinnerungen: Ich war kein Liebhaber der Homoerotik und spülte die nächste Stunde meinen Mund mit Pfützenwasser
aus.
27
Aus Casanovas Erinnerungen: Erst als Tier merkt man so richtig, wie schwer von Begriff die Menschen sind.
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|258| 55. KAPITEL
«Venedig?» Daniel Kohn sah mich ungläubig an, wie ich so mit dem schnurrenden Casanova auf den Schultern vor seiner Villentür
stand. «Du gibst mir den Laufpass, und dann willst du, dass ich dir Geld für eine Venedigreise gebe?»
«Das ist … ähem … ziemlich gut zusammengefasst», erwiderte ich mit einem möglichst netten Lächeln.
«Und warum sollte ich das tun?»
«Weil es um mein Leben geht.»
«Und ich gehe wohl recht in der Annahme, dass du mir nicht sagen willst, warum genau es um dein Leben geht.»
«Du gehst recht.»
Daniel gefiel das nicht, aber ich wollte ihm jetzt auch nicht erzählen, dass ich hinter einem anderen Mann her war, der offensichtlich
mit Nina einen Spontanversöhnungsurlaub in Venedig machte und dabei Lilly mitgenommen hatte. Zuerst war ich etwas verblüfft,
dass die beiden ausgerechnet diese Stadt gewählt hatten, bis ich kapierte, dass nicht nur ich, sondern auch Nina sich dort
in Alex verliebt hatte.
«Bitte», sagte ich leicht flehentlich.
«Du kriegst das Geld nicht», erwiderte Daniel.
Ich schluckte: «Gut, verzeih mir …» Und ich wandte mich zum Gehen.
«Aber ich fahr dich gerne nach Venedig.»
Ich drehte mich schnell wieder um. Daniel grinste. Er wollte wissen, was los war, und mich nach Venedig zu fahren war die
einzige Chance, es vielleicht doch herauszukriegen.
Ich musste nun abwägen: Ging ich auf Daniels Angebot ein, würde das eine ohnehin schon nicht unkomplizierte Lage noch komplizierter
machen, oder ließ ich Alex und Nina ihren Versöhnungsurlaub machen, der dazu führen |259| könnte, dass sie ein Paar bleiben und die dicke Maria endgültig aus ihrem Leben verbannen?
Casanova krallte sich demonstrativ fest in meine Schulter. Für ihn war die Sache klar. Und für mich auch: «Fahren wir!»
Daniels Porsche brauste mit zweihundert Sachen durch die Nacht gen Italien. Casanova war anfangs eingeschüchtert von dem Tempo,
dann beeindruckt, und schließlich schlief er zwischen meinen Füßen ein. Als wir
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