Mika, Bascha
in Deutschland. Hier
herrscht das Dogma, dass Kinder vierundzwanzig Stunden am Rockzipfel der Mutter
hängen müssen, um sich normal zu entwickeln. Vor allem die ersten drei Jahre
lang. Sobald ein Kind da ist, muss für die Mutter alles anders werden: Wo sie
sich vorher um sich selbst sorgen durfte, soll sie nun aufgehen in der Sorge um
das Kind. 14
Dann gibt
es nichts anderes mehr. Diese Veranstaltung funktioniert nur im Rahmen der
traditionellen Rollen. Hierzulande herrscht der alte Glaube, dass weder der
Vater noch eine Tagesmutter, weder eine Krippe noch eine Kita das Kind in
gleichem Maße umsorgen und fördern können wie die leibliche Mutter. 15 Hierzulande glaubt man, dass es einen richtigen und einen falschen Weg gibt, um
Kinder großzuziehen. Und der richtige ist dort, wo die Mutter beim Kind ist und
die Frau weiß, wo sie hingehört.
Ohne
Zweifel, der Druck auf Frauen, diesem Modell zu folgen, ist stark. Ebenso die
Verlockung, ihm zu erliegen. Schließlich ist der Lohn das Kind. Die
Idealisierung des Kinderkriegens, vermuten Naturwissenschaftler, sei auch ein
Trick der Natur, das Überleben der Art zu sichern. Mag sein. Auf jeden Fall ist
es ein Trick der Menschen, die Machtverhältnisse zu stabilisieren und die
Frauen auf ihren Platz zu verweisen.
Und wir
lassen es mit uns machen. Obwohl die meisten von uns es doch angeblich gar
nicht so wollen. Nur eine Minderheit von Frauen ist ausschließlich auf Kinder
geeicht. Eine große Mehrheit will ihre Mutterrolle mit vielen anderen Aufgaben
verbinden. So weit die Absicht. Doch wenn dann die Taten folgen, ist —
schwupps - plötzlich doch die große Mehrheit in der traditionellen Mutterkiste
verschwunden. Und lässt alles andere zur Nebensache verkommen.
Freiwillig
verzichten wir auf viele Wünsche und Ambitionen, um uns den Mutterschuh
anzuziehen. Und dann latschen wir in ausgetretenen Rollenpfaden daher und
machen es uns in der Kinderecke bequem. Durchaus auch zum Schaden der Kleinen.
Die müssen alles kompensieren. »Wenn Mütter nur noch das Kind als Inhalt haben,
betrachten sie es sehr schnell als ihr Eigentum«, hat die Familienanwältin
Peschel-Gutzeit beobachtet. »Dann halten sie niemanden anderen mehr für zuständig,
denn nur sie alleine wissen, was gut und wichtig ist für den Nachwuchs.« 16
Dabei ist
die deutsche Kinderwelt merkwürdig gespalten. Da gibt es die einen, um die sich
niemand kümmert, die zu Hause noch nicht einmal eine warme Mahlzeit bekommen,
geschweige denn irgendwie gefördert werden. Und dann gibt es Scharen von
überbehüteten Kindern, vornehmlich aus Bildungsmilieus, wo sich hauptsächlich
die Mütter überschlagen, um dem Kind alles zu bieten. Fast scheint es, als
glaubten diese Frauen, ihre Kinder vor der Welt beschützen zu können. Dabei
sind sie vielleicht nur getrieben von den eigenen Ängsten, der Verunsicherung
durch überkomplexe Strukturen, dem Wegbröseln vertrauter Gewissheiten.
Moderne
Mütter erwarten, hat die aktuelle Studie des Rheingold-Instituts
herausgefunden, »dass ihre Kinder besonders gut geraten, sie selbst alles
unter einen Hut bekommen und dabei selbstverständlich attraktiv bleiben«. Für
den Vater und Mann. Und als sei das nicht genug, ist für die Mütter in den
letzten Jahren noch eine neue Maxime dazugekommen: »Alles soll schön leicht und
locker aussehen.« 17
Als hätten
wir keine Wahl. Als könnte Mutterschaft heute nicht ganz anders begriffen und
gelebt werden. Da ist sie wieder, die Liebeslist, die uns in die Unterordnung
drängt. Da ist auch das Kümmersyndrom, das uns allzuständig sein lässt. Und da
ist das Hormonkomplott, das uns in der traditionellen Mutterrolle einhegt. Drei
Übel, die verführerisch und hübsch gewandet daherkommen, doch wenn sie uns
befallen, locken sie uns flugs auf den falschen Weg. Ziehen uns herüber in ein
klassisches Frauenleben. Müssen wir nicht endlich anfangen zu widerstehen?
Der Tropfen
Für Kinder
tun Frauen oft so, als hätte es nie ein Leben davor gegeben und als käme auch
keines danach. Das ist nicht nur kurzsichtig, das ist grob fahrlässig. Und es
ist verantwortungslos gegenüber sich selbst.
»Es gibt
gar nicht so wenige Frauen, bei denen sich irgendwann alles nur noch ums Kind
dreht«, hat die Sexualberaterin Edith Beckmann festgestellt. »Da findet dann
nichts anderes mehr statt. Weder Freundschaft noch Partnerschaft noch sonst
irgendwas.« 18
Schon beim
ersten Kind macht eine Unzahl von Paaren brutal Schluss mit
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