Mika, Bascha
1 Die Autorin Susanne Klingner kennt das Leben dieser Frauen und glaubt, dass vielen
gar nicht bewusst ist, welchem Uralt-Muster sie folgen. Je hipper ein Paar,
desto peinlicher ist es ihm, einzugestehen, dass es zwar nicht mehr in
Gelsenkirchener Barock hockt sondern auf einem Sofa von Rolf Benz, aber
ansonsten alles beim Alten bleibt — dass es lebt wie schon die eigenen Eltern.
Das darf
man selbstverständlich nicht zugeben, das Image könnte leiden. So ist bei den
Frauen davon die Rede, dass sie alles mit ihrem Partner ausgehandelt haben, von
Diskussionen erzählen sie und von freiwilligen Entscheidungen, die sie zu
dieser Existenz führten. Wie merkwürdig nur, dass dabei doch die gleichen
Rollen herauskommen wie in einem Doris-Day-Film der fünfziger Jahre — nur nicht
so lustig.
Bei Doris
Day war die Sache wenigstens klar. Perfekt blond, beschwingt singend im
eleganten Kostüm, verfolgte sie nur einen Plan: Sie wollte den Mann! Die
Heirat! Den Hafen! Die Sicherheit! Dafür überwand sie jede Pfütze und jede männliche
Anti-Ehe-Bastion oder was sich ihr sonst noch als Hindernis in den Weg stellte.
Bei den
Macchiato-Müttern war die Sache auch mal klar: Dass sie ein solches Modell
absolut nicht wollten. Und was haben sie aus ihrem Vorsatz gemacht?
Sie allein
wären vielleicht noch nicht das Problem. Aber sie haben Millionen Freundinnen.
Frauen aus vielen Schichten und Milieus, mal mit, mal ohne Kinder. Darunter die
einen, die nur schlichten Filterkaffee trinken, und die anderen, die sich ihren
Mokka vom Personal servieren lassen. Ein Frauenleben auf Pump, für das er bar
und sie mit Lebenszeit und Eigenständigkeit bezahlt, gibt es in der Standard-,
der gehobenen und der Luxusausführung.
Das Kuscheleck
Wie
bastele ich mir eine Komfortzone? Die Macchiato-Mütter haben das erfolgreich
geschafft. Und es gibt sehr viele andere Frauen, die den Bauplan ebenfalls
kennen. Wenn ihnen draußen ein unangenehmer Wind entgegenbläst, sehnen sie
sich nach drinnen, an einen sicheren Ort. Irgendwohin fliehen, wo es weniger
pfeift. Wo man sich's angenehm einrichten kann, ohne die lästigen Anforderungen
durch eine fiese kalte Außenwelt.
Sag mir, dass dieser Ort hier
sicher ist und alles Gute steht hier still. Und dass das Wort, das du mir heute
gibst, morgen noch genauso gilt.
Gib mir'n kleines bisschen
Sicherheit
in einer Welt, in der nichts
sicher scheint.
Gib mir in dieser schweren Zeit
irgendwas, das bleibt.
Gib mir einfach nur'n bisschen
Halt. Und wieg mich einfach nur in Sicherheit. Hol mich aus dieser schnellen
Zeit. Nimm mir ein bisschen Geschwindigkeit...
... singt
die deutsche Popband Silbermond. Gibt es eine passendere Fahrstuhlmusik zu
unserer Komfortzone? Dieses Nest soll gefälligst gut ausgestattet sein: bequem
im Innern, risikolos nach außen. Wie viele Frauen hoffen auf dieses Angebot?
Auf den, der sie schützt vor den Härten eines selbstbestimmten Daseins? Weil
es doch so mühsam ist, für sich selber zu denken, und noch mühsamer, für sich
selber zu sorgen.
Vorzugsweise geht es dabei um die
Hände eines Mannes.
Er muss
kein Märchenprinz sein. Prinzen sind out, weil Gefühlsduselei. Unser Held ist
der Sieger an der Verdienerfront: der erfolgreiche, ehrgeizige Geldranschaffer,
der übernehmen kann, wonach uns am meisten verlangt — die Versorgung.
»Was
Frauen tun müssen: Mit dem Freund in einem Restaurant essen - und selbst
bezahlen.« Dieser Emanzipationstipp findet sich im Studentenmagazin der Zeit von 2010. Das ist kein Witz: Erscheinungsdatum 2010. Ist
die Magazin-Redaktion völlig gestrig? Oder ist der Hinweis angebracht, weil es
noch immer nicht selbstverständlich ist, dass junge Frauen ihre Rechnung
übernehmen? Im selben Heft beschwert sich ein Justus bei einer Inge: »Ich habe
noch keine Frau getroffen, die Lust hatte, mich zu ernähren. Alle haben mir
verklickert: Du bist im Zweifel der Versorger.« 2
Dabei
reden aber doch Frauen davon, finanziell unabhängig zu sein und ihr eigenes
Geld zu verdienen? Das mag ja sein, schreibt der Münchener Psychologe Stefan
Woinoff, der sich Gedanken über das männliche und weibliche Beuteschema gemacht
hat. »Aber keine Frau sagt: Ich will einen Beruf, mit dem ich mich, meine
Kinder, meinen Mann, ein Haus, zwei Autos und den Urlaub für die Familie
finanzieren kann. Sie sehen sich also unbewusst an der Seite von jemandem, der
genug Geld verdient.« 3
Unbewusst?
Das meint Stefan Woinoff wohl als Scherz, um
Weitere Kostenlose Bücher