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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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Lächeln zustande, obwohl er sich den Ausgang anders gewünscht hätte. Parenti nimmt die Nachricht gleichgültig auf. Er glaubt ihm nicht. Niemand hier im Raum glaubt ihm. Sie alle, ob gut oder böse, wissen, wie die Dinge laufen. Er versucht sein Glück in der Hoffnung, dass der Verdächtige darauf hereinfällt und plaudert.
    Catalano beobachtet den Anarchisten. Die Strategie, die er mit dem Polizeipräsidenten abgesprochen hat, sieht vor, diese letzte Karte zu spielen, damit er sich in Widersprüche verstrickt.
    Alle rauchen, und eine schwere Stille senkt sich auf sie herab.
    Als die Zigarette im Ascher landet, sagt Parenti etwas. Einen einfachen Satz, seinen letzten: »Das ist das Ende der Anarchie.«
    Der Polizeichef springt entnervt auf und verlässt erneut das Büro.
    ›Lassen wir ihn noch eine Weile köcheln‹, denkt er. ›Der wird schon reden. Alles eine Frage der Zeit.‹
    Und dann passiert es.
    Santi sucht gerade nach seinen Streichhölzern. Er blickt hinunter und kramt in seiner Tasche, und als er wieder aufblickt und sich die Kippe anzünden will, sieht er einen Mann im freien Fall in der Luft. Unmöglich für ihn zu sagen, ob er gestoßen wurde oder selbst gesprungen ist.
    »Mord durch Selbstmord« wird wenig später ein Slogan lauten, der traurige Berühmtheit erlangt.
    Commissario Catalano stürzt in den Raum zurück. Die Polizisten und der Capitano stehen mit bestürzten Gesichtern am Fenster. Parenti ist nicht zu sehen.
    »Er hat sich aus dem Fenster gestürzt!«, sagt ein Polizist.
    »Ja, er ist gesprungen!«, bestätigt ein zweiter.
    So wird die offizielle Version lauten, nachdem Parenti wenig später in der Notaufnahme gestorben sein wird.
    Im Hof haben die Journalisten mittlerweile seinen Körper gefunden. Sie haben den dumpfen Aufprall gehört, das Geschrei, dann sahen sie den Anarchisten auf der Erde liegen. Große Aufregung.
    Commissario Catalano und der Questore liefern der Presse eilig eine Erklärung: Der Eisenbahner habe Selbstmord begangen, weil er die Last der immer offensichtlicheren Indizien nicht mehr ertrug.
    Santi lauscht in der hintersten Reihe. Als alles vorbei ist, gehört er zu den Letzten, die hinausgehen. Er sagt nichts, tauscht sich nicht mit den Kollegen aus. Alles, was er in den vergangenen sechsunddreißig Stunden gesehen hat, ist absurd. Dafür gibt es keine Worte.
    9
    Die Tage, die dem Weihnachtsfest vorausgehen, gehören zu den intensivsten und schwersten in Antonios Leben. Es kommt selten vor, dass man sich dessen so bewusst ist, noch während man es erlebt. Santi aber spürt das sehr deutlich. Der Tod von Martinez, die Bombe, der aus dem Fenster gestürzte Anarchist, dieses Erdbeben, das die Institutionen erschüttert hat. Und jetzt noch die Probleme mit seiner Frau.
    Jeden Abend beim gemeinsamen Essen gießt Carla Benzin ins Feuer.
    »Ich hasse deinen Kollegen von der Politischen!«, ruft sie. »Er ist ein Mörder!«
    Die Leidenschaft für die Politik radikalisiert alles. Den Rest besorgen die Zeitungen.
    Am Tag nach Parentis Tod hatte der ›Corriere della Sera‹ getitelt: Showdown! Verdächtiger begeht Selbstmord.
    Die linken Tageszeitungen, allen voran ›Avanti‹ und ›Unità‹, glaubten der von der Polizei gelieferten Version nicht und begannen eine Kampagne gegen Catalano, der sich sehr bald und mit noch größerer Verve die außerparlamentarische Linke von Lotta Continua anschloss.
    »Seht nur, was die wieder schreiben!«, hatte der Chef der Politischen gerufen, in der Hand eine Ausgabe des wöchentlich erscheinenden Organs desselben Namens.
    »Hier heißt es, ich sei von der CIA bezahlt worden, um die Ermittlungen in die Irre zu leiten! Wisst ihr, was das bedeutet?«
    Santi weiß das sehr gut. Mit einer Marxistin Tisch und Bett zu teilen, ist ein wahrer Augenöffner. Zwingt einen zur Konfrontation. Oder zum Streit, zu dem es immer häufiger kommt.
    Es sind Tage des Zorns in der Wohnung in der Via Melzi d’Eril. Wenn Antonio abends nach Hause kommt, wartet dort schon Carla, um ihm ihre Anklagen und ihren gesammelten Groll gegen den Commissario entgegenzuschleudern, der mit diesen »Faschistenschweinen« gemeinsame Sache macht.
    Eine Wochenzeitung startet durch die spitze Feder einer Journalistin eine Reihe von Gegenartikeln über Catalano, dem sie sympathischerweise den Spitznamen ›Commissario de fenestra‹ gibt.
    »Ihr Roten seid wirklich erstklassig darin, neue Slogans zu erfinden, weißt du?«
    Seine Frau sieht ihn wütend an. Sie erwidert

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