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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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schreien …
    ›So stelle ich mir den Weltuntergang vor‹, denkt Antonio.
    Innerhalb weniger Minuten ist der abendliche Platz taghell erleuchtet von zahlreichen starken Scheinwerfern, es wirkt wie an einem Filmset. Darüber das aufgeregte Stimmengewirr, allgegenwärtig.
    »L’è stada ’na bumba« , sagt jemand, »das muss eine Bombe gewesen sein.«
    »Ach, Schwachsinn, da ist ein Heizkessel in die Luft geflogen«, erwidert ein anderer.
    Und angesichts des Unglücks, des Rauchs, der Toten, der Sirenen und der Tränen muss Antonio wieder an den Satz von Nicolosi denken: »In Italien ist niemand unschuldig.«
    Dieser vor Blut triefende Platz und das ausgebombte Gebäude sind der Beweis dafür.
    »Ein explodierter Heizkessel? Komm mir nicht mit so einem Quatsch!«
    7
    Verbrannter Knoblauch. So riecht explodiertes TNT . Santi atmet den Geruch durch die Nase ein.
    Er befindet sich in der Nähe der Piazza Fontana. Nicht einmal zwei Stunden sind seit der Detonation vergangen. Die Menschen sind wie hypnotisiert, völlig orientierungslos. Die Mailänder, um nicht zu sagen ganz Italien, stehen vor einem ganz neuen Phänomen.
    Das wird dem Bullen und seinen Kollegen klar, als sie erfahren, dass drei weitere Sprengsätze aufgetaucht sind. Zwei in Rom, am Vaterlandsaltar und vor der Banca Nazionale del Lavoro, und ein weiterer hier in Mailand, nicht weit entfernt in der Banca Commerciale auf der Piazza della Scala.
    »Los, da müssen wir hin!«
    Der Bankdirektor selbst hat Alarm geschlagen.
    »Er hat ein schwarzes Köfferchen gefunden, das komische Geräusche von sich gibt«, erfahren sie über Funk, »er hat es an sich genommen und in den Tresor gestellt, bis der Besitzer sich meldet. Aber nach der Explosion auf der Piazza Fontana hat er Angst bekommen und die Polizei gerufen.«
    Als Santi mit gut einem Dutzend Polizisten vor Ort eintrifft, läuft der Mann vor der Metalltür auf und ab.
    »Beruhigen Sie sich, Direttore, wir kümmern uns darum«, versucht Commissario Piazza, auf ihn einzuwirken. Die Pyrotechniker in ihren raumfahrerähnlichen Anzügen sind vor Ort. Sie lassen sich die Zahlenkombination geben und öffnen den Tresor. Sie finden ein unauffälliges, harmlos aussehendes schwarzes Köfferchen.
    »Hört ihr die Geräusche, die da rauskommen?«, kreischt der Direktor, während er fortgeführt wird. »Passt bloß auf!«
    »Das ist eine Bombe«, bestätigt einer der Astronauten nach einer ersten Inspektion. »Kein Zweifel.«
    Mit äußerster Vorsicht wird der Koffer in den Hof getragen, um ihn dort kontrolliert zu zünden.
    Santi sieht aus sicherer Entfernung zu.
    Die Detonation setzt neben einer riesigen Staubwolke, aufgewirbelt von den Zementsäcken, die zur Schadensbegrenzung auf die Bombe gestapelt wurden, auch einen intensiven Knoblauchgeruch frei, zumindest kommt das dem Geruch am nächsten, mit dem das detonierte TNT in die Nasen kriecht. Santi spürt, wie es ihm in der Kehle brennt, als wolle es nie wieder verschwinden.
    Die Stunden vergehen und spülen erste Verdächtige an die Oberfläche. Alle großen Zeitungen haben ihre Reporter und Fotografen an den Tatort geschickt. Die Tragödie wird in all ihre schrecklichen Einzelheiten zerlegt und dokumentiert.
    Als die Reporter die Polizisten aus den Trümmern der Landwirtschaftsbank kommen sehen, halten sie direkt auf Commissario Catalano zu, scharen sich um ihn wie um einen Gralshüter der Wahrheit, als könne allein er erklären, was an diesem schlimmen Spätnachmittag des 12. Dezember 1969 passiert ist. Man erwartet, dass der Chef der Politischen klare Antworten parat hat für diese Stadt am Rande des Nervenzusammenbruchs.
    »Alles deutet auf eine Beteiligung der Anarchisten hin«, erklärt der Funktionär.
    Alte Geschichte, zieht immer. Die Anarchistenspur ist tatsächlich die erste Spur, die von den Ermittlern verfolgt wird, nachdem festgestellt wurde, dass um 16:37 Uhr ein Sprengkörper mit sieben Kilogramm TNT , versteckt in einer unter einem Tisch zurückgelassenen Tasche, detoniert ist und ein Blutbad angerichtet hat.
    Am selben Abend werden Hunderte Verdächtige ins Polizeipräsidium geladen, darunter Anarchisten und Mitglieder der außerparlamentarischen Linken. Santi hat das Gefühl, die Bombennacht vom Messegelände noch einmal zu durchleben, mit dem Unterschied, dass es dieses Mal wirklich Tote gegeben hat. Der Polizist ist noch ganz benommen; er kann nicht glauben, was er gesehen hat, nämlich dass Menschen mit Absicht so viel Tod und Leid über

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