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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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nichts, weil sie ihm nicht neues Futter geben will. Gerade hat sie ihm zum x-ten Mal ihre Meinung kundgetan. Sie kann nichts dafür, wenn manche Ideen immer wieder gesagt werden müssen. Auch wenn sie auf Dauer Gefahr laufen, wie leere Phrasen zu klingen. Welche Worte gäbe es sonst, die Strategie der Spannung zu illustrieren? Oder das Staatsmassaker ? Antwort: keine. Also wiederholt man sie. Man muss argumentieren, erklären, was in diesem Land vor sich geht. Manchmal helfen dabei Slogans.
    Die politische Ordnung durch Destabilisierung stabilisieren oder Ein Volk verängstigen, damit es tut, was man will , das sind doch klare, leicht verständliche Konzepte. Doch was viel schlimmer ist: Sie sind wahr.
    Das alles schreit Carla Antonio ins Gesicht, mit ungewohnter Wut. Bis er sich schließlich um ihr Wohlergehen sorgt, zudem in ihrem Zustand.
    »Hör auf!«, erwidert er. »Ich hab’s ja kapiert.«
    Doch seine Frau hat nicht die geringste Absicht aufzuhören. Diese Bombe hat auch in ihrer Ehe etwas entzweigerissen. Nicht als sie explodierte, sondern mit Parentis Tod.
    »Es sind die zwei Teile desselben Bildes.«
    »Welchen Bildes?«
    »Das weißt du, Antonio. Sie wollen den Notstand ausrufen, um dann einen institutionalisierten Staatsstreich zu inszenieren.«
    »Und wer bitte soll das sein, sie?«
    »Die Rechten, die Geheimdienste, Leute von der Regierung …«
    »Du spinnst ja! Das bildest du dir alles nur ein!«
    »Ich spinne? Dann hör mir mal gut zu. Parenti umzubringen ist Teil der Strategie.«
    »Aber er wurde nicht umgebracht …«
    »Warte. Ich erkläre es dir. Die These ist ganz einfach: Dein Commissariofreund hat Parenti umgebracht, weil er die Ermittlungen umlenken musste, nämlich ganz auf die Anarchistenspur, um die Hypothese einer Beteiligung der Faschisten am Attentat gar nicht erst aufkommen zu lassen. Der Eisenbahner war der ideale Sündenbock. Denk doch mal nach: Ein Selbstmord wäre der eindeutige Beweis seiner Schuld. Aber dann …«
    »Was dann?«
    »Es hat nicht funktioniert. Ihr könnt nicht sechzehn Menschen ermorden und hoffen, dass die Leute euch den ganzen Mist abkaufen. Das muss dir doch klar sein, oder?«
    »Nein, das ist mir leider nicht klar. Und überhaupt, ihr glaubt immer alles zu wissen. Habt ihr denn die Wahrheit gepachtet? Aber lass dir eins gesagt sein, ganz bescheuert sind wir auch nicht. Mal ernsthaft: Kann es denn sein, dass niemand sich fragt, warum die Polizei, wenn sie einen unbequemen Zeugen loswerden will, wie du es nennst, ihn im eigenen Haus eliminieren sollte und dann noch, indem sie ihn aus dem Fenster wirft? Wäre es da nicht klüger gewesen, ihn spurlos verschwinden zu lassen, und vor allem möglichst weit vom Präsidium entfernt?«
    »Wenn ihr schlau wärt, ja. Aber das seid ihr nicht. Und außerdem, weißt du, was man sich über diesen Catalano erzählt? Anarchisten müssen sich bei ihm immer rittlings auf das Fensterbrett setzen …«
    »Das ist doch blanker Unsinn, und das weißt du. Ich habe mehrere Verhöre miterlebt, und das war kein einziges Mal der Fall.«
    »An jenem Abend warst du aber nicht dabei.«
    »Du weißt genau, dass ich gerade nicht hingeschaut habe, aber vier Kollegen und ein Carabinieri-Capitano. Ich weigere mich einfach zu glauben, dass sie allesamt lügen. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass zwischen den beiden Polizeicorps seit jeher eine große Rivalität besteht. Nun stell dir vor, ein Carabiniere würde ein Vergehen seitens der Polizeibeamten aufdecken, dazu noch in einem Büro der Behörde!«
    »Ihr seid allesamt Sklaven der Macht, wundern würde mich es nicht.«
    »Das ist doch reine Spinnerei, Carla.«
    »Meiner Meinung nach seid ihr es, die spinnt. Ihr habt jeglichen Unsinn erzählt, um den Tod dieses armen Teufels zu erklären.«
    »Zum Beispiel?«
    »Tja, zum Beispiel, dass es am Abend des 15. Dezembers ungewöhnlich warm war … Aus welchem Grund hätte sonst das Fenster sperrangelweit aufgestanden um diese Uhrzeit? Und draußen tanzten die Eisbären Rumba!«
    »Das Fenster stand offen, um zu lüften, das habe ich dir schon tausend Mal erklärt. Wir hatten dort drinnen stundenlang geraucht, man bekam ja kaum noch Luft.«
    »Und wie erklärst du mir die drei Schuhe?«
    »Welche drei Schuhe?«
    »Du weißt genau, was ich meine.«
    In die Miene der Frau tritt ein triumphierender Ausdruck. Sie weiß, dass sie ins Schwarze getroffen hat.
    Antonio hat lange darüber nachgedacht und versucht, den Ablauf des Geschehens so klar und

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