Milano Criminale: Roman (German Edition)
geohrfeigt. Hatten sie verjagt und sich als große Bosse aufgespielt. Sie waren eine andere Gruppe in unserem Revier. Am nächsten Abend sind wir zurückgekommen, stiegen aus den Wagen und haben sie erschossen. Danach musste ich untertauchen, weil die Bullerei kam, na ja, Riesenzores halt. Damals habe ich zum ersten Mal lebenslänglich bekommen, da war ich grade erst volljährig.«
Vandelli kann nicht genug kriegen von den Geschichten des Neapolitaners. Er weiß, dass sie wahr sind, im Gegensatz zu den wiederverwerteten Comic-Märchen des Schauspielers.
»Heroin war immer viel im Spiel. Manchmal haben wir es genommen. Ich nur durch die Nase, vor Spritzen hatte ich schon immer Horror. Irgendwann haben wir dann auch damit gedealt. Wir haben gemacht, was grade reinkam. Die Drogen hatten den Vorteil, dass du vögeln konntest, so viel du wolltest, ohne zu den Nutten gehen zu müssen. Du gabst ihnen Stoff, und sie ließen dir deinen Spaß. Irgendwo war immer eine Wohnung frei: Das war eine tolle Bumserei! Wenn du eine gesehen hast, die dir gefiel, dann nahmst du sie dir einfach. Wenn du respektiert und gefürchtet bist, sagt keine nein. Klar, sie ziert sich vielleicht ein bisschen, aber am Ende waren alle dabei. So sind die Frauen nun mal.«
Vandelli muss an Nina denken. Fast ein Jahr, dass er sie nicht gesehen hat. Er wollte den Schnitt: Seine Frau soll ihn nicht in der Haft besuchen. Der Knast ist ein Ort, von dem man sich besser fernhält. Sie schreibt ihm Briefe, die er tausendmal liest. Und selten beantwortet. Ist nicht gerade der Typ für Brieffreundschaften, Vandelli. Ein paar Zeilen hin und wieder, um ihr zu sagen, wenn er erst wieder draußen ist, machen sie da weiter, wo sie unterbrochen wurden.
Während er seinen Gedanken nachhängt, redet sein Zellengenosse munter weiter.
»Als ich zur Camorra kam, wurde ich schon gesucht wegen zweifachen Mordes: einer an einem Tankwart, der ausgerastet ist und sich gewehrt hat, und der andere an einem Barista, der die Kasse nicht öffnen wollte. Es hat gleich geheißen, das wäre ein Camorra-Toter, dabei war es nur ein Überfall, den ich einfach abends so gemacht habe, ohne groß drüber nachzudenken. Ich bin in die Bar rein, weil ich Durst hatte. Drinnen kam mir dann die Idee, den Typen auszurauben. Ich hab die Pistole gezogen und gesagt, er soll die Einnahmen rausrücken. Er hat gesagt, wenn du was von mir willst, musst du mich schon erschießen. Also hab ich es getan. Ich habe das Arschloch erschossen, die Kasse aufgemacht, das Geld genommen und die Biege gemacht. Zur Camorra kam ich erst später, zusammen mit den anderen. Unsere ganze Gruppe ist eingetreten. Ich war immer noch bei dem Typen aus Forcella, der der Größte von uns war und unser Boss. Dann kam so ein hohes Tier zu uns. Hat mit uns geredet, und am Ende gehörten wir alle zusammen. Es hat sich zwar nicht viel geändert dadurch, aber wir waren stärker, mächtiger. Im Viertel wussten alle, dass wir jetzt auch Camorristi waren. Der einzige Unterschied bestand darin, dass wir nun auch mit Typen Krieg führten, die wir gar nicht kannten. Wenn wir gebraucht wurden, bekamen wir einen Wink, gingen hin und zogen sie ab. Wir wussten, wo sie waren, kamen hin, gingen rein und schossen. Fast alle anderen Toten waren von dieser Sorte. Außer zweien, die habe ich umgebracht, weil ich selbst mit ihnen im Clinch lag. Der Letzte hier in Mailand, da war ich für Geschäfte. Sto strunz , das Arschloch hat mir die Vorfahrt genommen und sich nicht mal entschuldigt. Ich bin ausgestiegen und hab ihn abgeknallt. War doch okay, oder?«
Vom Neapolitaner schaut Vandelli sich die Boshaftigkeit, die Entschlossenheit und den Zynismus ab. Den Rest der kriminellen Kunst erlernt er beim Kartenspiel, eine unerwartete Initiation seiner dunklen Seite. Niemals hätte er gedacht, dass manche Pokerpartien viel erhellender sind, um ein guter Junge zu werden, als hundert Raubüberfälle.
5
» Sient’ammé : Poker ist wie das Leben. Du weißt nie, was kommt, aber es liegt in der Hand des Spielers, aus den schlechtesten Karten ein Gewinnerblatt zu machen.«
Während er doziert, setzt der Neapolitaner hoch. Und auch der Molosser hält mit.
Fast fünfhunderttausend Lire sind im Spiel, und keiner der beiden scheint die Absicht zu haben auszusteigen. Nachdem der Mann aus Neapel als Letzter erhöht hat, muss er nun zeigen, was er auf der Hand hat. Drei Buben.
Der Molosser schluckt schwer und knurrt, die könnten genügen. Nun muss er geben. Mit
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