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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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Lebensinhalt. Wenn er an sie denkt, rückt alles andere in die Ferne, wie hinter einen Schleier. Dieses kleine, nur wenige Kilo wiegende Wesen hat ihn wie verhext. Am Abend, wenn er sie auf dem Arm hat, scheint alles andere zu verblassen, und nur noch sie steht im Mittelpunkt. Er weiß nicht, wie viele Nächte er schon durchwacht hat, weil die Kleine Bauchweh hatte und ihn und Carla mit ihrem Weinen fast an ihre Grenzen gebracht hat. Sich besorgt anzusehen und nicht zu wissen, warum das Baby schreit – »Es wird doch nichts Ernstes sein?« –, um dann ihr Lächeln zu sehen, wenn alles vorbei ist und sie wieder aufatmen können. Seit sie vor zwei Monaten geboren wurde, macht er in der Questura zeitig Schluss und kann es kaum erwarten, sie zu sehen und sich von seiner Frau alles berichten zu lassen, was während seiner Abwesenheit passiert ist. Als würde so ein Baby wer weiß welche Abenteuer erleben an einem Tag …
    Beatrice hat Santis Leben einen völlig neuen Sinn gegeben. Eine zweite Chance auch für seine Tätigkeit bei der Polizei. Mehr denn je fühlt er sich in der Pflicht, die Welt von diesem Auswurf zu reinigen, damit eines Tages, wenn seine Tochter dort draußen herumläuft, niemand mehr da ist, der ihr weh tun könnte.
    »Das sind Wahnvorstellungen eines überängstlichen Bullen«, lacht Carla, wenn er ihr davon erzählt. Antonio weiß, dass sie recht hat, doch der Gedanke an Beatrice und wie er sie beschützen kann, hilft ihm dennoch, sich auf seiner neuen Stelle bei der Kripo anzustrengen.
    »Halte dich von den Kugeln fern«, hatte ihn Nicolosi am Telefon ermahnt, nachdem er ihm zu Beatrices Geburt gratuliert hatte. »Jetzt mehr denn je. Du bist nun Vater, da muss man aufpassen, dass man keine Waisen zurücklässt.«
    7
    »Die Gang ist eine Lebensphilosophie«, doziert Vandelli mit lauter Stimme, als sie in den Wagen steigen. Das Auto ist geklaut, eine weiße Giulia 1300, deren Kofferraum einem Pulverfass gleicht. Es ist Mitte Juli, die Schwüle so drückend, dass man vergeht, und sie stehen kurz vor einem Bankraub, wie noch keiner ihn gewagt hat.
    »Wer auf einen von uns schießt, schießt auf alle«, schließt der Gangster, während das Auto anfährt.
    Die Vorgeschichte zu dieser Sentenz war auf dem Mist von Agente Patrizio Rami gewachsen, der irgendwann beschlossen hatte, eine härtere Gangart einzuschlagen.
    Santis Befehl lautete denkbar einfach: »Familie Pinto unter Druck setzen. Geh zu seinem Vater, dem Schuster, und zu seiner Mutter, die ist Hausfrau. Rücke ihnen auf die Pelle, bombardiere sie mit Fragen; sie müssen unseren Atem im Nacken spüren. Vielleicht rutscht ihnen dann etwas heraus, oder unser Mann wird nervös und kommt aus der Deckung.«
    Nach einer Woche, in der diese Strategie nicht aufging, beschließt Rami, auf seine Art vorzugehen. Schließlich war er ja nicht immer Bulle: In Quarto Oggiaro, wo er geboren und aufgewachsen ist, musste er sich mehr als einmal mit nicht ganz orthodoxen Mitteln behelfen, und vielleicht, denkt er, kann er diese auch im Beruf als Bulle anwenden. So steht er eines Tages bei Morgengrauen vor der Wohnung von Pintos Eltern. Als die Tür aufgeht, drückt er dem Schuster – noch im Schlafanzug und mit schlaftrunkener Miene – einen Umschlag mit zwei Projektilen in die Hand. Er redet wie in einem drittklassigen Western.
    »Die sind für Ihren Verbrechersohn. Wir haben es im Guten versucht, aber Sie wollten nicht auf uns hören; jetzt müssen wir zu anderen Methoden greifen.«
    Als Santi davon erfährt, wird er fuchsteufelswild.
    »Was fällt dir nur ein? Wir sind die Polizei, nicht etwa die Mafia! Wir arbeiten nicht mit Einschüchterungen. Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«
    »Ich wollte doch nur die Ermittlungen voranbringen …«
    Santi will das nicht hören. Er suspendiert ihn augenblicklich vom Dienst, dann ruft er bei den Pintos an, um sich zu entschuldigen und zu versichern, dass es sich allein um die hirnrissige Einzelaktion eines Beamten gehandelt hat, für die sich Agente Rami verantworten und mit harten Disziplinarstrafen rechnen muss.
    Doch das Schuldeingeständnis des Hauptkommissars reicht Vandelli nicht, der völlig ausrastet, als er von den Kugeln erfährt.
    »Die Familie ist heilig!«, schreit er. »Das bedeutet offener Krieg zwischen uns und der Polizei. Wir müssen auf diesen Angriff angemessen reagieren. Und ich weiß auch schon wie.«
    Unter anderen Umständen hätte er seiner Bande diesen Coup niemals vorgeschlagen. Ein

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