Milano Criminale: Roman (German Edition)
Commissario die Bank betritt, kommt ihm sogleich ein Agente entgegen und drückt ihm einen Notizzettel in die Hand.
»Was ist das?«
»Das haben die Bankräuber in dem leeren Tresor hinterlassen. Es steht ein Name drauf.«
Die Adresse lässt tatsächlich keinen Zweifel: Antonio Santi. Mit Schreibmaschine geschrieben, ebenso wie der Satz auf der Rückseite: »Steck dir die Kugeln sonst wohin.«
8
»Das ist ja wie ein Schloss«, ruft Nina aus und wirft ihrem Mann die Arme um den Hals. »Es ist so schön, da könnte man glatt verrückt werden.«
Vandelli lacht aus vollem Hals, und das Geräusch hallt eigenartig vervielfacht durch die Räume. Dreizehn Zimmer, vier Bäder, eine riesige Terrasse im obersten Stockwerk eines erst jüngst erbauten Wohnhauses in der Via Mar Nero.
»Eine Million zweihunderttausend Lire kostet mich das Ding monatlich«, erzählt er und drückt sie an sich, »so viel wie diese armen Schlucker für einen neuen Fiat 600 bezahlen!«
Nina zieht ihre Schuhe aus und läuft barfuß über das glänzende Parkett. Sie möchte fast tanzen, so glücklich ist sie. Die zurückliegenden Monate waren hart für sie, getrennt von ihrem Mann. Als sie ihn festnahmen, war sie auf Drängen ihrer Mutter wieder zu ihren Eltern gezogen, doch das Zusammenleben war ein Desaster, Streit ohne Ende. Um etwas Abstand zu gewinnen, floh sie häufig zu Angie, doch dort ging es ihr auch nicht gut. Die Freundin konnte einfach Finger und Zunge nicht von ihr lassen. Als Roberto dann endlich wieder draußen war und sie ihre aufgestauten Emotionen ausgelebt hatten, war es gar keine Frage gewesen, dass sie wieder zusammenziehen würden. An diesem Punkt hatten ihre Eltern endgültig die Schotten dichtgemacht.
»Wenn du dich wieder mit diesem Gangster einlässt, brauchst du von uns nichts mehr zu erwarten. Du hast die Wahl.«
Und sie hatte sich für Vandelli entschieden.
Roberto betrachtet, wie die junge Frau über die Terrasse läuft, er fühlt sich gut. Die Bande ist auf der Höhe des Erfolgs, und sie ist genau so, wie er sie sich im Knast erträumt hat. Sie haben einen Punkt erreicht, was Erfahrung und Zusammenspiel betrifft, wo sie eine Bank quasi im Schlaf überfallen könnten. Sie sind zu siebt, die perfekte Anzahl für eine Bande, jeder mit einer klar definierten Aufgabe. Zwei Leute ohne Deckung beim Auto, zwei an der Tür mit vorgehaltener Maschinenpistole und drei im Innern: einer hält die Geiseln in Schach, einer steht an den Schaltern, einer am Tresor.
Dabei müssen sie nicht immer alle dabei sein, außer für wirklich wichtige Überfälle wie der an der Piazza Cordusio. Oft ist es besser, das Risiko möglichst gering zu halten und entsprechend auch die Zahl der Beteiligten.
Die wiedergefundene Freiheit hieß für den Gangster nicht, nach einem großen Coup erst mal Pause zu machen, um in Ruhe den nächsten zu planen. Das war der alte Vandelli, der neue ist gewitzter und wacher. Am liebsten und häufigsten arbeitet er zu dritt. Nina fährt, Pinto hält die Geiseln in Schach, und er holt die Moneten. Mit einem oder zwei Überfällen die Woche bleibt man in Übung und verdient gutes Geld. Und mit wenigen riskiert man auch weniger. Natürlich wissen alle, dass sie, wenn sie erwischt werden, locker zwanzig Jahre bekommen, aber das gehört zum Spiel.
Die Fehde mit der Polizei ist härter geworden, und doch gab es eine Episode vor einigen Wochen, die ihn erstaunte. Während eines Überfalls, bei dem sie zu siebt waren, kam ein Streifenwagen vorbei. Pietra und Romolino standen vor der Filiale, maskiert und mit der Sten Gun im Arm, unmöglich zu übersehen. Die Bullen aber fuhren einfach weiter, als ob nichts wäre. Vandelli machte sich seinen eigenen Reim darauf: Es war wohl eine Sache, einen Pappkameraden auf dem Schießplatz zu durchlöchern, eine andere, vor einem Verbrecher zu stehen, der die Flinte schon in der Hand hält, um auf dich zu schießen, kaum dass du aus dem Wagen steigst. Dann doch lieber noch eine Runde fahren und zurückkommen, wenn der Überfall vorbei ist. Die Versicherung zahlt sowieso, und sie kommen mit dem Leben davon, das man für einen Monatslohn von vierzigtausend Lire nicht gern aufs Spiel setzt.
»Sieh nur, was für eine tolle Aussicht man hier hat!«, ruft Nina von draußen.
Er geht zu ihr. Die Wohnung ist wirklich außergewöhnlich und die Miete, die er zahlt, ein Klacks bei seinen monatlichen Eingängen von fünfzehn Millionen. Nach den ersten Arbeitsmonaten konnte er plötzlich im
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