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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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schweigt. Sie begreift und lächelt. Sie hat nun mal einen Bullen geheiratet. Sie weiß, dass es immer so sein wird zwischen ihnen.
    Bevor er geht, beugt sich Antonio über Beatrice und gibt ihr einen Kuss.
    »Morgen bin ich zurück.«
    8
    Als Piazza aus dem Zagato steigt, steht Antonio vor ihm.
    »Urlaub vorbei?«
    Sein Kollege sieht geschafft aus. In der Nacht hat er kein Auge zugetan, sei es wegen der Hitze oder wegen der Sorgen. Seit sechs Uhr fährt er durch die leere Stadt. Stille Straßen wie sonst nie. Beinah entspannend.
    »Nein«, antwortet er trocken, »ich hatte nur Sehnsucht nach der Questura.«
    Sein Gegenüber schaut ihn misstrauisch an.
    »Was meinst du?«
    »Ich muss mit dir reden.«
    »Dann komm mit hoch.«
    Der Commissario der Mordkommission hat kaum die Bürotür hinter sich zugemacht, als Santi die gesamte Wahrheit vor ihm ausschüttet.
    »Ich habe bis zum Hirnerweichen darüber nachgedacht«, setzt er an.
    »Was glaubst du, was ich den Sommer über hier auf dem Präsidium gemacht habe, Däumchen gedreht?«
    »Na gut, ich habe mich falsch ausgedrückt.«
    »Ach so, na dann.«
    Es ist wie in alten Zeiten. Mancher Groll lauert sprungbereit knapp unter der Oberfläche.
    »Hör mir bitte einen Moment zu. Niemand verlässt unbemerkt die Cattolica, wenn er so blutverschmiert ist wie unser Mörder.«
    »Wenn du glaubst, daran hätte ich nicht gedacht …«
    »Ich weiß«, unterbricht ihn Antonio. »Aber nun hör doch erst mal zu: Der Mörder ist von Kopf bis Fuß rot gefärbt, er hat Blut an den Händen und Blut an den Schuhen. Es ist Samstag, draußen sind massig Leute unterwegs; so einer verlässt nicht unbemerkt das Gebäude. Außer …«
    »Ich höre.«
    »Außer er hat sich umgezogen. Denk nach: Er tötet sie, wäscht sich, zieht die Schuhe aus und verzieht sich dann in sein Büro .«
    »Wie bitte?«
    »Denk doch mal nach: Der Mörder muss zwangsläufig jemand aus dem Institut sein. Er hat das Mädchen ermordet und sich dann an einen sicheren Ort geflüchtet, in aller Ruhe umgezogen, seine schmutzigen Sachen versteckt und ist dann rausgegangen, als ob nichts geschehen wäre. Niemand achtet auf ihn, weder Studenten noch Angestellte, weil es ja normal ist, dass er da ist. Ein Professor oder, noch besser, ein Priester. Da, jetzt hab ich’s gesagt. Das Tabu ist gebrochen.«
    »Hör auf, Santi.«
    »Warum soll ich aufhören? Weil sie eine Soutane tragen, töten sie nicht?«
    »Genau!«
    »Ach, ich bitte dich. Faule Äpfel gibt es überall, das weißt du genau. Außerdem, lass uns über den Handabdruck an der Tür reden. Wo sind die Fotos? Ah, hier. Schau da, an der Tür zum Toilettenraum; schau dir diese blutige Hand des Mörders genau an, in welcher Höhe er die Handfläche aufgesetzt hat. Siehst du das? Wir sind beide einssiebzig groß und hätten in natürlicher Haltung weiter unten angefasst, er langt zehn Zentimeter darüber hin. Und schau nur, was für eine Riesenhand.«
    »Soll heißen?«
    »Dass der Mörder eine Art Riese ist, bestimmt über eins achtzig groß.«
    »Santi, worauf willst du hinaus?«
    »Wie viele im Lehrkörper gibt es, die so groß sind und ihr Büro in unmittelbarer Nähe zu den Toiletten haben, dass man es innerhalb einer Minute erreicht?«
    Piazza denkt ein paar Sekunden nach, dann sagt er: »Eigentlich nur einen.«
    Das Studio des Professore ist sauber. Fast zu sauber. In der Luft liegt der Geruch von Putzmitteln.
    »Hier hat jemand Frühjahrsputz gemacht«, bemerkt Santi und öffnet die Fenster.
    »Ja, aber im August. Warum?«
    »Dann gehen die Blutspuren besser weg.«
    Die zwei Beamten wechseln einen Blick. Das Gerede auf den Fluren hat sie hierher geführt, ein Priester, Professor der Moralphilosophie, soll mehrere Studentinnen belästigt haben. Nichts als Gerüchte, klar, aber hartnäckig. Und von verschiedenen Seiten. Anfangs hatte Piazza sie ignoriert, weil er sie als haltlose Phantastereien ansah. Bis zu dem Tag, als Santi ihn mit der Realität konfrontierte, indem er diesen Satz aussprach: »Keine der Studentinnen hatte den Mut, ihn anzuzeigen, eben wegen seines Talars. Das ist das Geheimnis der Cattolica.«
    Sie haben die Leute von der Spurensicherung dabei, die das Büro von vorne bis hinten durchsuchen, aber weder die Tatwaffe noch sonst irgendwelche Indizien finden, die auf einen Mord hinweisen.
    »Es ist schon zu lange her, er hat das Messer und die Kleider entsorgt und alles gesäubert«, meint Antonio. Dann fügt er hinzu: »Kennen wir sein Gesicht?«
    Der

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