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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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Leiter der Mordkommission zieht ein Foto aus der Akte und zeigt es ihm: ein Mann mit grauen Haaren, sehr groß. Adlernase, helle Augen. Er trägt eine Soutane und um den Hals ein Kreuz.
    »Was ist, kennst du ihn?«
    »Ich habe ihn schon mal gesehen. Und du auch. Zweimal.«
    »Zweimal?«
    Santi nickt.
    »Erinnerst du dich an die Schaulustigen vom Vormittag, als wir die Leiche entdeckt haben? Acht Priester.«
    »Ja, und?«
    »Einer davon war unser Mann.«
    »Und das zweite Mal?«
    »Bei Sandras Beerdigung. Und frag mich nicht, warum ich mich daran erinnere. So einen Riesen in Priesterkleidung vergisst man nicht so schnell.«
    »Er war überzeugt, dass niemand ihn verdächtigen würde.«
    »Scheiße, warum haben wir bloß nicht vorher an ihn gedacht? Das hätten wir gleich bemerken sollen. Komm, schau mal.«
    Santi ist auf den Flur getreten und steht nun vor der Tür zu den Toiletten, in denen das Mädchen ermordet wurde.
    »Hier, das Büro befindet sich auf derselben Etage, gerade mal zehn Meter entfernt.«
    Piazza nickt.
    »Es war ganz einfach: Nach dem Verbrechen stand er hier auf der Schwelle, die Hand auf die Tür gestützt, wobei er den Abdruck hinterließ, und schaute hinaus, ob jemand kommt. Als die Luft rein war, hat er die Schuhe in die Hand genommen, um keine Abdrücke zu hinterlassen, und ist barfuß in sein Büro geschlichen, alles eine Frage von wenigen Sekunden.«
    »Möglich. Mehr noch, fast sicher, aber nicht zu beweisen. Wie soll ich einen Priester fortgeschrittenen Alters beschuldigen, eine Studentin mit einem Schlachtermesser getötet zu haben, ohne den Hauch eines Beweises?«
    Santi sieht den Kollegen fest an.
    »Wir dürfen jetzt nicht aufgeben.«
    »Das werden wir auch nicht: Ich habe ihn zur Befragung in die Questura bestellt. Morgen früh.«
    »Dann werden wir ihn ordentlich ausquetschen. Bis zum Geständnis.«
    »Nein, Antonio. Ich werde die Befragung allein durchführen, du bist zu nah dran. Du bist nicht objektiv. Und das ist eine Amtsanweisung. Ich bin nicht dein Vorgesetzter, das ist meine Ermittlung. Ich mache jetzt wieder allein weiter. Kehr du zu Carla ans Meer zurück und lass mich die Ermittlung zu Ende bringen. Ich werde dich wie üblich auf dem Laufenden halten.«
    9
    Zum wiederholten Mal erhebt Antonio sich aus dem Liegestuhl.
    »Was ist denn nun schon wieder?«, fragt ihn seine Frau.
    Er antwortet nicht. Tief in der Nacht ist er nach Forte zurückgekehrt, hat aber kein Auge zugetan. Jetzt ist es neun Uhr morgens, und seit einer Stunde versucht er, Piazza ans Telefon zu bekommen. Alle zehn Minuten ruft er an, doch sein Kollege lässt sich verleugnen.
    Um die Mittagszeit herum kommt er endlich ans Telefon.
    »Und?«
    Ohne lange Umstände, sofort auf den Punkt.
    »Ist eher von der schweigsamen Sorte, unser Professore. Er hat sehr einsilbig geantwortet, war aber wohl am fraglichen Samstagmorgen in der Universität. Der Wachmann am Eingang hat ihn um neun Uhr kommen sehen, weiß aber nicht mehr, wann er gegangen ist. Um halb elf hatte er Vorlesung, dann, sagt er, sei er in sein Büro gegangen und dort bis ein Uhr geblieben. Es gibt keine Zeugen, die das bestätigen können, und er sagt, er habe wegen des Presslufthammers nichts gehört.«
    »Ist ja klar, dass er lügt. Ich weiß, dass er unser Mann ist.«
    Am anderen Ende der Leitung herrscht ein merkwürdiges Schweigen.
    »Was ist los, Achille? Sag bloß nicht, du hast ihn laufen lassen …«
    »Vor zwei Stunden.«
    »Und was ist in der Zwischenzeit passiert?«
    Wieder dieses unangenehme Schweigen.
    »Sag, was zum Teufel passiert ist!«, ruft der Polizist.
    »Es ist zu Ende, Santi, du musst dich damit abfinden.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Er wird versetzt. Morgen. Keiner weiß genau, wohin. Wir hatten nicht genug gegen ihn in der Hand, um ihn festzunehmen. Wir haben kein Messer, wir haben kein Blut an den Kleidern, es gibt keine Zeugen …«
    »Versetzt?«
    »Die Hochschule möchte auf ihn als Professor verzichten und die Diözese …«
    »… kümmert sich um den Rest. Schon klar, wie das läuft. Scheiße! Scheiße und noch mal Scheiße! Der Dreck wird unter den Teppich gekehrt, damit die Gäste ihn nicht sehen und der gute Ruf der Hochschule nicht gefährdet wird.«
    »Antonio.«
    »Scheiß auf Antonio! Wie konntest du das zulassen? Sag mir das!«
    Der andere schweigt.
    »Und die Gerechtigkeit für Sandra? Denkst du denn gar nicht an dieses arme Mädchen? Und an ihre Familie?«
    »Glaub ja nicht, ich wäre froh

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