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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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Knastmauern umschlossenen Betonquadrat, wo die Sonne herabbrennt und selbst die Luft, die man atmet, nach Teer schmeckt. Es gibt keine Bäume, und die Jungs suchen beim Hofgang den Schatten der Mauern. Einzige Ausnahme bildet ein Grüppchen von Häftlingen, die Soldatenklatsche spielen. In der Mitte steht einer, der ein bisschen zurückgeblieben ist, und sie schlagen hart zu, auch mit Holzlatschen. Und klar ist, er wird niemals erraten, wer geschlagen hat. Totale Unterwerfung: Er wird sich auf ewig die Hände ruinieren. Schon nach ein paar Runden ist die Hand violett und geschwollen wie eine Melone.
    Vandelli kann sich kaum zügeln, doch Pinto hält ihn zurück.
    »Das ist nicht dein Bier«, erklärt er ihm. »Unter den Schlägern ist auch der Typ, der hier das Sagen hat. Wenn du jetzt Scheiße baust, werden wir das jeden einzelnen Tag büßen.«
    Roberto blickt ihm fest in die Augen.
    »Diese Arschlöcher sind es, die es jeden einzelnen Tag büßen werden, dafür sorge ich«, gibt er zurück, macht sich frei und geht mit großen Schritten auf die Gruppe zu. Pinto hebt seufzend die Arme und folgt ihm. Er sieht zu dem Aufseher hoch. Den Schergen ist alles egal, sollen sie dem Idioten da unten ruhig die Hände kaputt machen.
    Roberto geht direkt auf den Kerl zu, der sich als Boss aufspielt, und schlägt ihm auf die Schulter. Blond, starkes Kreuz, ein wahrer Schrank im Gegensatz zu ihm. Er wird ›der Berliner‹ genannt.
    »Vielleicht irrst du dich ja«, setzt Vandelli an. »Er hat längst erraten, wer ihn geschlagen hat.«
    Der Berliner sieht sich erstaunt um; er kann kaum glauben, dass so eine Pissnelke es wagt, sich ihm auf diese Art zu nähern.
    »Habt ihr das gehört, Jungs? Hier ist noch so ein Klugscheißer, der gern in die Mitte möchte.«
    Pinto hat sich hinter Vandelli aufgebaut und behält die Lage im Auge. Er hat das gleiche Format wie der Berliner, aber die anderen sind zu viert.
    Vandelli weicht nicht zurück.
    »Klar will ich mitspielen, aber mit einer kleinen Regeländerung. Statt Soldatenklatschen spielen wir jetzt Dreckskerlklatschen.«
    Er hat noch nicht ausgeredet, da verpasst er dem Berliner schon zwei gewaltige Ohrfeigen, eine rechts, eine links. Der Blondschopf taumelt zurück, und schon bekommt er einen Schädel in die Nase gerammt, dass er sich flach auf den Boden legt, das Gesicht blutverschmiert. Einer der Clique will eingreifen, doch Pinto packt ihn und hält ihm eine Klinge an die Kehle, die wer weiß woher kommt.
    »Kümmer dich um deinen eigenen Dreck.«
    Die Gruppe ist wie versteinert. Vandelli dreht dem Berliner das Ohr um; aus seinen Augen schießen Tränen und aus seiner Nase Blut.
    »Jetzt entschuldigst du dich bei dem Burschen.«
    Er schüttelt den Kopf, doch das brennende Ohr belehrt ihn eines Besseren.
    »Entschuldigung«, krächzt er.
    Der Junge nickt zitternd und rennt schnell davon.
    »Brav«, sagt Vandelli zum Großen und stößt ihn zu Boden. »Und wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wie du dich an ihm vergreifst, wirst du hier im Rollstuhl rausgekarrt, das verspreche ich dir.«
    Während Roberto und Pinto sich entfernen, rappelt der Berliner sich auf und stopft sich ein Taschentuch in die blutende Nase. Seine Leute umringen ihn unschlüssig, was sie tun sollen.
    »Jetzt stecken wir in der Scheiße«, flüstert der Schustersohn.
    »Entspann dich, der unternimmt nichts. Der hat nur unter Feiglingen eine große Klappe. Solche wie der bellen zwar, beißen aber höchstens mit Worten.«
    3
    Auf die Fenster des Beccaria knallt die Sonne. Es ist einer dieser Sommertage, an denen man eigentlich bis tief in die Nacht durch Mailands Straßen ziehen möchte. Doch Vandelli kann nicht raus.
    ›Der Käfig ist schrecklich‹, denkt er. ›Er engt dich ein, nimmt dir die Luft, macht dich rasend.‹
    Durch die Gitterstäbe betrachtet er den Himmel. Es wäre der perfekte Morgen, um zum Wasserflughafen zu fahren und Schießübungen zu machen, so wie jede Woche.
    Seine ersten Waffen hat er sich mit vierzehn bei einem Hehler besorgt: eine P 38 und eine Kaliber 9 mm Luger, Überbleibsel aus dem Krieg und aus den Beständen der Wehrmacht. Den Umgang damit hat er hinter dem Schießplatz am Wasserflughafen geübt: Dort sieht und, wichtiger noch, hört einen niemand.
    Die kleine Walther ist seine Lieblingswaffe, er trägt sie immer mit sich herum außer auf Beutezug. Wer aufwächst wie er, kennt den Kodex fast besser als die Bullen selbst: Schnappen sie dich mit einem Schießeisen in der

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