Milano Criminale: Roman (German Edition)
kommt von der Fahrbahn ab, prallt gegen ein parkendes Auto und bleibt quer auf der Straße liegen. Die Türen gehen auf, die Übeltäter springen heraus und stieben in alle Richtungen davon, mischen sich unter die Passanten.
Der Commissario und Rami nehmen die Verfolgung auf. Martinez bleibt beim Zagato, um Santi erste Hilfe zu leisten. Der Polizeibeamte protestiert, doch der Kollege hört nicht auf ihn.
Nicolosi verfolgt den auffällig hinkenden Voletto: Ihn scheint eine Kugel getroffen zu haben. Ein Passant wirft sich auf den Flüchtenden und überwältigt ihn. Es handelt sich um einen herzkranken Kriegsinvaliden. Es ist zu viel für sein altes Herz: Die Aufregung, die Angst in diesen schrecklichen Minuten lassen es einige Augenblicke später die Arbeit einstellen. Ein indirektes Opfer der Cavalieri-Bande.
Rami legt dem Banditen Handschellen an, die anderen drei entkommen. Von einem Moment auf den anderen wimmelt es auf der Straße vor Streifenwagen und Uniformierten. Blaulichter, Martinshörner, Pistolen. Doch von den Geflohenen keine Spur.
Nicolosi kehrt zum Zagato und zu Santi zurück. Der Sitz ist blutgetränkt. Er greift zum Funkgerät.
»Trivento an Zentrale: Schickt einen Krankenwagen, ein verletzter Beamter.«
Trivento ist sein Deckname.
»Du schaffst das, Junge. An einem Streifschuss ist noch niemand gestorben.«
Antonio lächelt und verliert das Bewusstsein. Die Beamten verfrachten Voletto in einen Streifenwagen und bringen ihn weg.
Nicolosi betrachtet den mit Kugeln durchsiebten Fiat 1100.
»Das war’s«, sagt er leise. »Zumindest für heute.«
Am nächsten Tag zieht Basile in ›La Notte‹ Bilanz dieses wahnwitzigen Nachmittags:
Eine wild gewordene Meute rast durch den Hindernisparcour Mailand, über eine halbe Stunde lang, um am Ende drei Tote und zweiundzwanzig Verletzte auf dem Spielfeld zurückzulassen: sechs Polizeibeamte und sechzehn Zivilisten.
13
Der weiße Mercedes fährt langsam den Viale Rembrandt entlang. Drinnen drei Personen, tiefe Stille. Niemand hat Lust zu reden. Alle drei rauchen, Qualm wabert durch den engen Innenraum. Um sie herum das reine Chaos. Nina sitzt am Steuer.
»Wohin soll ich fahren?«
»Bring mich in den Giambellino«, erwidert Vandelli knapp.
Er klingt verärgert, und der Grund liegt auf der Hand: Der Coup, der lang geplante, ist geplatzt. Sie müssen noch einmal ganz von vorn anfangen. Dabei war alles bis ins kleinste Detail vorbereitet. Zwei Stunden vor der erwarteten Ankunft des Geldtransporters war jeder auf seinem Posten. Im Grunde ein einfacher Plan: Gleich wenn der Lastwagen in die Via Gulli einbiegen würde, sollte sich der 1100 mit Vandelli und Esposito an Bord vor ihm querstellen und ihn an der Weiterfahrt hindern; gleichzeitig rammt ihn der Fiat 600 mit Romolino und Pietra von hinten, so dass auch dieser Fluchtweg abgeschnitten ist. Dann sollten die vier Banditen mit Sturmhauben, gezückten Waffen und Totschlägern aus den Wagen springen und den Geldtransporter stürmen. Wenn sie erst das Geld hätten, wollten sie zu dem weißen Mercedes in der Nähe rennen, der sie mit Vollgas in Sicherheit bringen würde. Am Steuer dort bei laufendem Motor Nina. Vandelli hatte schließlich doch nachgegeben: Ein Kompromiss zwischen den Bettlaken, aber durchaus vernünftig und opportun, da das Mädchen und die zwei Comasina-Jungs die Einzigen mit Führerschein waren. Es wäre zu riskant gewesen, Vandelli oder Esposito das Fluchtauto fahren zu lassen, da beide noch minderjährig waren: Jede Routinekontrolle hätte sie direkt in den Bau gebracht und ihren Plan über den Haufen geworfen.
Auch Angie war mit von der Partie. Sie sollte an der Straßenecke stehen und sich die Schaufenster ansehen, um den anderen das Startzeichen zu geben – ein leuchtend gelbes Halstuch, das sie sich umbindet –, sobald der Geldtransporter um die Ecke biegt. Danach sollte auch sie sich aus dem Staub machen und in den erstbesten Bus steigen, der auf der Piazza Siena hielt.
Doch Angie konnte das Startzeichen nicht geben: Zur festgesetzten Stunde war weit und breit kein Geldtransporter zu sehen. Nach weiteren zehn Minuten vergeblichen Wartens war Vandelli mit einer Kippe im Mundwinkel aus seinem Wagen gestiegen und hatte an die Scheibe des Fiat 600 geklopft.
»Wahrscheinlich verspätet er sich«, hatte Pietra sich gerechtfertigt.
»Du hast gesagt, er war bisher immer pünktlich, oder?«
»War er ja auch.«
»Dann muss etwas passiert sein.«
Er hatte es noch nicht
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