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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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Bericht hörte.
    Und das stimmt: Die Carabinieri verloren keine Zeit; sie forderten bei der nächsten Wache Verstärkung an und umstellten das Bahnwärterhäuschen.
    Pietro Cavalieri und sein Komplize, müde und orientierungslos wie sie waren, hatten sich widerstandslos festnehmen lassen. Sie wurden in die Via Moscova gebracht, den Hauptsitz der Carabinieri in Mailand. Ein Triumphzug für die Kollegen vom Militär, für die Polizei hingegen ein schwer verdaulicher Brocken.
    Das Echo auf die Festnahme war groß und spontan. Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile, und als sie in Mailand einfuhren, hatten die Ordnungskräfte Mühe, die aufgebrachte Menge in Schach zu halten, die die Verbrecher lynchen wollte.
    »Wir oder sie, das ändert wenig«, hatte Nicolosi gesagt. »Entscheidend ist, dass sie gefasst sind.«
    Antonio hatte genickt, wohlwissend, dass der Commissario selbst nicht glaubte, was er sagte.
    16
    Das einfache Leben der anderen. Ein Leben ohne Überraschungen: eine Frau, ein gesichertes Einkommen und sonntags das Fußballspiel im Radio. So beruhigend wie der Großeinkauf am Samstag, der Lohnscheck am Monatsende, der Urlaub im August. Solche Leben können einem Angst machen. Meine Romane nicht.
    Antonio lächelt, als er diese Worte auf der Seite drei des ›Corriere‹ liest. Sie stammen von einem Mailänder Autor, der gerade den Grand prix de littérature policière bekommen hat, den renommierten Preis für Kriminalliteratur in Frankreich, mit dem nie zuvor ein Italiener ausgezeichnet wurde.
    Seine Rede wendet sich an jene, die ihm vorwerfen, er schreibe belanglose Bücher, gerade richtig für den Strand oder höchstens noch für die Zugreise.
    Literatur sei etwas anderes, urteilen die Kritiker.
    Die Tageszeitung widmet dem Autor einen langen Artikel, flankiert von einem Foto. Wässriger Blick, schütteres Haar, eine Schreibmaschine Lettera 22 vor sich und ein Päckchen Stop in den Händen.
    Santi hat fast alle seine Bücher gelesen. Schnörkellose, starke Geschichten, die im Gegensatz zu vielen anderen ohne Heuchelei und Scheinheiligkeit von dem echten Mailand erzählen. Die Romane dieses Schriftstellers sind nicht nur kongeniale Krimis, sondern ein kostbares Abbild einer Epoche, das getreue und authentische Zeugnis der zu Ende gehenden sechziger Jahre, das mitleidlose Porträt eines kurzatmigen Landes, durch das ein böser Wind weht. Kurz gesagt ein ganz anderes Bild als jenes, das die Zeitungen gerne von den Jahren vermitteln, die die Jahre des Wirtschaftsbooms genannt werden.
    Und noch einen Grund gibt es, weshalb er ihn mag, viel persönlicher und sentimentaler: Der Held aus einer vierteiligen Romanreihe erinnert ihn sehr an Commissario Nicolosi. Die gleiche Entschlossenheit, die gleiche bewegte Lebensgeschichte, der gleiche Starrsinn bei den Ermittlungen.
    Ganz in die Biographie des Schriftstellers vertieft, verlässt der Polizist die Bar. Ein intensives Leben, das allein schon Stoff für diverse Bücher hergäbe. Als Sohn eines ukrainischen Vaters und einer italienischen Mutter in Kiew geboren zur Zeit des russischen Kaiserreichs, zieht er sehr bald mit der Familie nach Rom und später nach Mailand. Er verlebt keine glückliche Kindheit: Die Oktoberrevolution nimmt ihm den Vater und eine schmerzhafte Krankheit einige Jahre später auch die Mutter. Als mittelloser Teenager muss er sehen, wo er bleibt. Er geht von der Schule ab – er hat noch nicht einmal die Volksschule beendet, was vielleicht auch der Grund für die Ablehnung seitens der Kritiker ist – und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, vom Müllmann zum Hilfsarbeiter, vom Fahrer zum Gepäckträger, bis er schließlich für ein paar Frauenmagazine arbeitet. Zuerst als Laufbursche, dann als Korrektor. Er erweist sich als begabt und fällt auf. Bald wird er Redakteur und bekommt mit der Zeit eine eigene Rubrik: die Herzenspost. Dieser introvertierte junge Mann ist ein Naturtalent, nie gehen ihm die Ideen aus, und was noch wichtiger ist, er bewegt sich versiert durch alle Erzählgenres: Liebesromane natürlich, aber auch Wildwest-Geschichten, Science-Fiction und vor allem der Polizeiroman, in dem er besonders brilliert.
    Santi beendet den Bericht genau vor dem Wachposten der Questura, der ihn erstaunt ansieht.
    »Ein Artikel über einen Krimiautor, der gerade einen Preis bekommen hat«, erklärt er, während er hineingeht. Dann bleibt er stehen, zieht ein Päckchen Zigaretten hervor und bietet dem Mann eine an.
    »Sonst was Neues?«,

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