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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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fragt der Wachmann gelangweilt, eher um der Konversation willen.
    »Gestern wurde Che Guevara ermordet.«
    »Und wer zum Teufel ist das?«
    »Ein Kämpfer. Ein Revolutionär.«
    Er zeigt ihm das Foto eines bärtigen Mannes mit Zigarre im Mund und schwarzer Baskenmütze samt rotem Stern auf dem Kopf.
    »Kommunist?«
    »Ja.«
    »Geschieht ihm ganz recht. Ich kann die Roten nicht ausstehen.«
    Santi erwidert nichts, wirft die Zigarette zu Boden und geht grußlos hinein.

Bordsteinschwalben und Falsche
    1
    Die Nudeln auf dem Teller sind kalt geworden.
    »Du hast ja gar nichts angerührt.«
    Statt einer Antwort streicht Antonio ihr nur über die Hand. Carla sieht ihn zärtlich an, sie weiß, was mit ihm los ist: Abschied nehmen ist immer das Schwierigste an einer Beziehung, auch für Männer.
    Das hatte auch der Polizist gedacht, als sie vom Flughafen Linate abhoben. Er saß zum ersten Mal in einem Flugzeug.
    Fliegen kostete ein halbes Vermögen, doch es war ja auch ein ganz besonderer Anlass. Anfang Januar hatten sie geheiratet. Carla hatte sich ein wollenes Unterhemd unter das weiße Kleid ziehen müssen, um keine Lungenentzündung zu riskieren, doch sie wollte ganz sicher sein: Nachdem der große Tag immer und immer wieder hatte verschoben werden müssen, wollte sie diese Gelegenheit nun endlich nutzen. Denn die Erfüllung ihres großen Traums war von einer Fülle Widrigkeiten flankiert gewesen. Zuerst hatte sich der Termin ihrer Examensprüfung verschoben – die sie schließlich mit Bestnote bestanden hatte –, dann war Antonio in die Sonderkommission zur Festnahme der Cavalieri-Bande berufen worden, und seitdem war ihr Leben wie erstarrt gewesen. Den Beamten wurde jeglicher Urlaub gestrichen, von Sonderurlaub zwecks Hochzeit ganz zu schweigen. So waren von einem Aufschub zum nächsten fast zwei Jahre verstrichen, bis sie endlich, am 14. Januar 1968, Carla kurz vor einem Nervenzusammenbruch aus Angst, der Termin könne wieder platzen, Seite an Seite in der Kirche Santa Maria al Carmine im Mailänder Stadtviertel Brera standen, um sich das Jawort zu geben. Steifgefrorene Gäste und eine Hundekälte, doch die Braut, strahlend und fest entschlossen, war nicht mehr bereit zu warten. Am nächsten Tag hatten sie ein Flugzeug Richtung Sizilien bestiegen. Alles war perfekt, wenngleich Antonio immer noch Probleme mit seinem verletzten Arm hatte, so dass er sie nicht über die Schwelle ihrer neuen Wohnung hatte tragen können, einer Dreizimmerwohnung in der Via Melzi d’Eril.
    Sie hatte so getan, als sei das unwichtig. Entscheidend war doch, dass ihr Mann nicht mehr völlig besessen von diesem Cavalieri war, alles andere würde sich finden. Kaum waren der Piemonteser und seine Kumpane hinter Gitter geschafft, hatte Carla fieberhaft mit den Hochzeitsvorbereitungen begonnen, bis ihr nach knapp drei Monaten endlich der Ring am Finger steckte. Das war ihre Art, ein Kapitel weiterzublättern, mit der Vergangenheit abzuschließen und ein neues Leben anzufangen.
    Die Festnahme bedeutete eine Art Gesundbrunnen für beide: Carla war wieder versöhnt, und Antonio wurde für seine außerordentlichen Verdienste im Einsatz zum Sovrintendente, zum Polizeimeister befördert. Ebenso wie Nicolosi, der am 1. Januar zum Polizeipräsidenten von Como ernannt worden war.
    Diese doppelte Beförderung markierte das Ende einer Epoche. Eines Bündnisses.
    Der Mentor verließ seinen Schüler, für immer, jedoch nicht ohne ihm vorher ein Geschenk zu machen: einen Glücksbringer.
    Am Tag vor der Hochzeit hatte der Commissario Antonio eine Kugel in die Hand gedrückt.
    »Die haben sie mir vor vielen Jahren aus dem rechten Bein gezogen. Wie durch ein Wunder hatte ich einen Schusswechsel überlebt, und seitdem trage ich sie immer mit mir herum als Erinnerung daran, wie gefährlich ein Bullenleben ist. Sie hat mir stets Glück gebracht. Jetzt ist sie bei dir besser aufgehoben: Ich werde zum Schreibtischtäter, Akten statt Aktion; du hingegen bleibst an vorderster Front. Du wirst sie brauchen, vor allem, wenn du jetzt eine Familie gründest. Merk dir gut, wie sie aussieht, damit du ihren Schwestern ausweichen kannst, verstanden?«
    Sie hatten sich die Hand gegeben. Nicolosi war niemand, der andere umarmte oder sonst welche Umstände machte: Auch bei ihrer Hochzeit hatte er sich entschuldigen lassen, wie im Übrigen bei allen offiziellen Anlässen.
    Seit diesem Tag waren sie sich nicht mehr begegnet. Hatten nur ein paarmal telefoniert.
    Santi bewahrte die

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