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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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millimeterkurz schneiden lassen. Er passt sich seinem neuen Chef an. Unter großer Anstrengung.
    »Jetzt fahren wir ins Präsidium zurück. Ich habe schon einen Plan«, verkündet Piazza.
    Der Sovrintendente ahnte sofort, dass der Plan des Commissario sich als Reinfall entpuppen würde. Und er sollte recht behalten.
    Jetzt raucht er eine Nazionale, während er im Fiat 600 auf der Lauer liegt, zusammen mit Agente Martinez, der so etwas wie sein Assistent geworden ist. Immer zu zweit, echte Carabinieri eben. Sie wurden hier in diese herrschaftliche Straße geschickt, wie der Chef es ausdrückte, um die Prostituierten auf der Jagd nach Klienten zu beobachten.
    »Vom Marseille-Clan zu den Nutten«, seufzt Santi.
    Abgesehen von ihrer Unlust muss er jedoch zugeben, dass der Plan des Commissario gut durchdacht ist. Um sich nicht vorwerfen zu lassen, die Polizei würde nur bei einzelnen Hotels durchgreifen, verfolgt er eine einfache Strategie: Er hängt sich an die erstbeste Prostituierte, die zu einem Klienten ins Auto steigt, folgt ihr bis zum Hotel, wartet fünf Minuten und schlägt dann zu.
    An diesem Nachmittag führen sie vier solcher Kontrollen durch. Santi vorneweg mit der Pistole im Anschlag, dicht gefolgt von Martinez, dem der Arsch auf Grundeis geht.
    »Kompletter Irrsinn«, hätte Nicolosi dazu gesagt. »Zu zweit allein: ohne zu wissen, was sie dort drinnen erwartet. Ob vielleicht ein Gangster mit entsicherter Knarre sie empfängt.«
    Piazza hingegen findet das okay. Er kalkuliert wie ein Buchhalter: Je mehr solcher Kontrolleinsätze, umso weniger Huren auf der Straße. Einfache Gleichung.
    Im Hotel kontrollieren die Beamten die Ausweise der ertappten ›Gäste‹, und wenn nicht alle beim Empfang gemeldet sind, wird der Laden dichtgemacht. An diesem Tag müssen alle vier überprüften Hotels ihre Türen schließen. Genauso wie die anderen zwölf, die von weiteren Kollegentrupps kontrolliert werden.
    »Die Orte der Unzucht schließen, um die Leute von der Hurerei abzubringen«, so lautet das Motto des neuen Kripo-Leiters.
    Am Ende ihrer Schicht ist Antonio ratlos. Er muss an die letzte Nacht vor dem Merlin-Gesetz denken und an das, was die Puffmutter damals zu ihnen gesagt hat: »Wenn die Bordelle schließen, gehen alle als Illegale auf die Straße.«
    »Was hältst du davon?«, fragt er Martinez, als sie vor dem Heimweg noch einen Fernet trinken.
    »Seit Anbeginn der Welt sind die Männer zu den Nutten gegangen, und es wird ganz gewiss weder ein Bußgeld noch die Schließung eines Hotels sein, die sie davon abbringen, oder?«
    Santi nickt.
    »Ja, aber erklär das mal dem Commissario. Er hat seine eigenen Theorien …«
    »Und du, was denkst du?«
    Antonio leert sein Glas in einem Zug.
    »Dass er ewig stinkig ist, weil er nie bumst, deshalb hasst er auch die Nutten und alle, die zu ihnen gehen. Das denke ich.«
    4
    Der Mercedes hält genau vor dem Beccaria. Hinter dem Steuer sitzt Vandelli. Dunkle Sonnenbrille, Zigarette im Mundwinkel, Furcht vor nichts und niemandem: auf der Flucht und ohne Führerschein in einem geklauten Auto. Die 38er steckt in seiner Tasche, und im Handschuhfach liegt eine weitere Kanone für den bereit, der heute freikommt.
    Nach etwa zehn Minuten öffnet sich das Tor der Jugendstrafanstalt, und heraus tritt Nicola Pinto, benommen um sich blickend. Er hat seine Strafe komplett abgesessen, und der Giambellino vergisst niemanden, der in der Not geholfen hat. Der Sohn des Schusters ist dünner als bei ihrer letzten Begegnung, doch es geht ihm gut.
    »Ciao, Roberto.«
    Sie umarmen sich und steigen in den Wagen, nicht ohne dass Vandelli höhnisch zum Wachmann hinüberwinkt.
    »Jetzt bringe ich dich zu deinen Alten, und dann geht’s rein ins Vergnügen. Ich hab mir ein paar nette Sachen ausgedacht für deinen ersten Abend draußen.«
    Pinto lächelt, nickt und schiebt sich mechanisch die Waffe in den Gürtel, die er im Handschuhfach findet.
    »Was ist das für ein Ort?«
    »Ich hab doch gesagt, heute geht’s rein ins Vergnügen, oder? Vertrau mir.«
    Sie stehen vor einer unbeschrifteten, rotgestrichenen Tür in der Via Varanini und klingeln.
    Ein Riese mit einer Narbe quer über der Stirn grunzt, sie sollen sich verpissen, sie hätten sich in der Tür geirrt.
    Vandelli drückt ihm unbeirrt einen Zehntausend-Lire-Schein in die Hand, und wie von Zauberhand öffnen sich die Pforten zum Paradies. Der Neandertaler deutet sogar ein Lächeln an, bevor er zur Seite tritt und sie passieren

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