Milano Criminale: Roman (German Edition)
lässt.
Drinnen scheint die Zeit stehen geblieben: Sofas, Rauch hängt in der Luft, leise Hintergrundmusik, Ledersessel und vor allem bereitwillige Damen. Allesamt halbnackt und nur dafür da, ihnen und einem Dutzend anderer einsamer Herzen zu Diensten zu sein.
»Ich dachte, alle Bordelle sind dicht?«
Vandelli lacht laut auf.
»Von wegen. Sie sind jetzt nur noch denen zugänglich, die es sich leisten können!«, erwidert er und tritt an den Tresen. »Bettler und Hungerleider müssen leider draußen bleiben.«
Er macht der Bardame ein Zeichen und bestellt zwei Flaschen Cristal, eine für jeden. Der Fünfzigtausend-Lire-Schein auf dem Tisch lässt die Augen des Mädchens aufblitzen, und sie eilt sofort los, um den Champagner zu holen.
»Siehst du«, spricht Vandelli weiter, »Bordelle gibt es noch und wird es immer geben. Nur das kleine Volk soll sich ruhig verhalten, schön brav zu Hause bleiben und an Frau und Arbeit denken. Außerdem, wenn sie ein bisschen Ablenkung brauchen, können sie immer noch eine auf der Straße auflesen, sie sich in ihren armseligen, auf Raten bezahlten Fiat 500 packen und sich zehn Minuten mit ihr vergnügen, hab ich recht?«
Die Flaschen kommen, und die Bardame schenkt ihnen ein. Die beiden Männer blicken sich beim Anstoßen an.
»Ich kapier nicht, wie man so leben kann«, überlegt der Verbrecher. »Ich würde mich nach fünf Minuten umbringen, wenn ich so leben müsste.«
Sein Gegenüber ist nur halb bei der Sache. Er wird von einer Brünetten abgelenkt, der er schon seit einer Weile unmissverständliche Blicke zuwirft. Sechzehn Monate Enthaltsamkeit fordern ihren Preis.
»Los, schnapp sie dir«, ermuntert ihn der Freund. »Hier muss man nicht volljährig sein. Niemand fragt dich nach deinem Ausweis. Hier musst du nur die Kohle rüberschieben, dann kannst du machen, was du willst.«
»Alles?«
»Alles, mein Freund.«
Mit diesen Worten zieht Vandelli ein Bündel Geldscheine aus seiner Jacke und steckt sie in die Brusttasche von Nicolas Hemd.
»Jetzt mach dir einen schönen Abend, morgen geht’s an die Arbeit, okay?«
»Willst du mich in deiner Gang?«
Der Bandit zwinkert ihm zu.
»Darüber sprechen wir morgen. Jetzt sollst du nur ans Vergnügen denken.«
Das lässt sich Pinto nicht zweimal sagen. Er packt eine Champagnerflasche und verschwindet mit dem Mädchen an der Hand die Treppe hinauf.
Und wo er schon mal da ist, nutzt auch Vandelli die Gelegenheit, sich ein wenig abzulenken.
Die Zimmertür schwingt auf und knallt hart gegen die Wand. Ein einziger Tritt. Vandelli hat schon das Schießeisen in der Hand, und auch die zwei Mädchen, die vor ihm knien, schauen erschrocken auf.
Der Bandit erkennt sofort, dass keine Kugeln nötig sind, doch seine kleinen Freundinnen können da weniger beruhigt sein. Wie eine Furie stürmt Nina herein und zerrt sie an den Haaren weg.
Eine versucht, sich durch Kratzen zu verteidigen, doch da spürt sie schon den Pistolenlauf der fremden Frau unter dem Kinn. Deren Anblick ist beängstigend: die Augen eines Panthers, zwei schmale Schlitze. Das andere Mädchen bekommt, bevor sie einen klaren Gedanken fassen kann, Angies linken Haken zu spüren – sie ist zur Unterstützung der Freundin mitgekommen – und fällt lang zu Boden.
»Bin ich dir etwa nicht genug?«, schreit Nina und geht auf Vandelli los. »Musst du auch noch zu den Nutten?«
Auch der Verbrecher ist nicht gerade zimperlich und versucht, sie mit einigen Ohrfeigen zu bändigen.
Dann steht plötzlich mit verzerrtem Gesicht und einem ganz frischen Schmiss auf der Stirn der Rauswerfer in der Tür; wie es scheint, konnte auch er der Wut der zwei Lesben nicht entgehen, wie Prestiné sie genannt hätte.
Angie will ihm schon an die Gurgel springen, doch der Mann vom Giambellino signalisiert dem Riesen, dass alles in Ordnung ist, und schickt ihn mit einer weiteren Fünzigtausend-Lire-Spende hinaus, dicht gefolgt von den zwei zu Tode erschrockenen Prostituierten.
Die Tür schließt sich, doch Ruhe kehrt nicht ein.
Nina schäumt noch immer vor Wut und stürzt sich erneut auf ihn. Vandelli drückt sie aufs Bett.
»Du Scheißkerl, Drecksau, du Hurensohn!«, schreit sie, während er ihr die Bluse vom Leib reißt und sie in den Hals beißt.
»Elender Hurenbock!«
Der Bandit nimmt ihre Brustwarzen zwischen die Zähne und fährt ihr mit den Fingern über den Bauch. Immer tiefer.
Angie nimmt einen Schluck Cristal aus der Flasche und setzt sich aufs Sofa, um das Spektakel auf ihre
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