Milano Criminale: Roman (German Edition)
Art zu genießen. Langsam macht sie ihre Jeans auf und schiebt die Hand hinein, während Nina im Begriff ist, das weiterzuführen, was die zwei Freudenmädchen so verfrüht abbrechen mussten.
5
Der Commissario marschiert im Stechschritt auf seinen Schreibtisch zu und wirft ihm einen Stapel Papiere hin: Berichte über die Hotelkontrollen.
»Neu schreiben!«, ordnet er trocken an. »Du sollst hier keine Romane schreiben! Weniger Blabla. Beschränk dich auf die Fakten, spar dir alles Drum herum. Keine Worthülsen, alles so knapp wie möglich, kapiert? Ich hab ja das Gefühl, den alten Manzoni zu lesen, wenn ich deine Berichte auf den Tisch kriege.«
Antonio antwortet mit einem Kopfnicken, mehr nicht. Er fürchtet, es könnte böse enden, wenn er den Mund aufmacht.
»In einer Stunde liegt alles auf meinem Tisch, verstanden?«
Piazza macht kehrt und geht. Der Sovrintendente seufzt, spannt ein weißes Blatt in die Schreibmaschine und beginnt zu tippen. Seine Tage bestehen mittlerweile zur Hälfte aus Überwachungen und zur anderen Hälfte aus zu überarbeitenden Berichten, die sich in besorgniserregender Höhe vor ihm auftürmen.
Der erste Monat unter Piazzas Leitung war verheerend: Mehr als sechzig Hotels mussten schließen, darunter nicht nur die Stundenhotels unterster Kategorie, sondern auch ein paar Luxushotels.
Die Blase steht kurz vorm Platzen, das wird ihm klar, als ein höherer Vorgesetzter ihn am selben Vormittag in sein Büro rufen lässt. Nach ein paar Floskeln kommt er zur Sache: »Machen Sie Piazza bitte klar, dass die Stadt ein echtes Problem bekommt, wenn ihr so weitermacht. Oder wollt ihr sämtliche Mailänder Hotels dichtmachen?«
Antonio sinnt darüber nach, warum gerade ihm die heiße Kartoffel hingeworfen wird. Was er mit etwas mehr Erfahrung schnell begriffen hätte. Und Nicolosi – immer er – hätte ihn auf seine Art wachgerüttelt: »Santi, fa no il ciula : Sie brauchen einen Sündenbock!«
Doch der Bulle hat trotz seines Nachnamens keine Schutzheiligen im Himmel, also muss er sich mit den Raubtieren herumschlagen: selbst mit denen der eigenen Spezies.
Er beschließt, das Thema im Zagato anzusprechen, auf dem Weg zum Gericht. Da er am Steuer sitzt, hat er den Vorteil, dass er seinen Vorgesetzten dabei nicht ansehen muss. Er redet langsam, als habe das, was er seinem Commissario da auftischt, keine Bedeutung.
»Die wollen, dass Sie aufhören«, schließt er. »Druck von oben.«
Piazza nickt, das sieht er im Rückspiegel. Sein Gesicht ist düster. Er erwidert nichts, wird nicht laut, zeigt keine Reaktion. Nichts.
Am selben Nachmittag stellt er die Überwachungen und Durchsuchungen ein. Der Vorgang kommt zu den Akten, genauso wie er jeden Kontakt mit Santi einstellt. Der wird praktisch degradiert und findet sich plötzlich den lieben langen Tag bei den Kollegen von der Streife wieder. Er will ihn nicht mehr sehen müssen.
Antonio hatte einen Ersatz für seinen Commissario gesucht, einen Mann, dem er vertrauen kann, und er ist wie versteinert, als er abgeschoben wird.
Piazza gehört zu dem Typ Bulle, der Resultate sehen will, ohne zu sagen, wie sie zu erzielen sind, einem dann aber den Kopf wäscht, wenn es nicht klappt. Das erfordert Improvisationstalent oder einfach die Notwendigkeit, erwachsen zu werden und auf eigenen Beinen zu stehen.
Ohne eine schützende Hand fühlt Santi sich verloren. Er kann sich nicht wehren, als man ihm sagt, er bekomme nur noch untergeordnete Aufgaben übertragen.
Erschöpft kehrt der Polizist nach Hause zurück. Er will sich nur aufs Bett werfen und mit niemandem reden, doch seine Frau ist anderer Ansicht. Trotz seiner Proteste schleppt sie ihn nach draußen.
»Wir müssen dich auf andere Gedanken bringen«, behauptet sie. »Dann grübelst du nicht mehr darüber nach. Und da ist Kino die beste Lösung.«
Vor dem Kino starren sie auf eine Reihe von Filmplakaten. Ein Titel erregt ihre Aufmerksamkeit. Antonio schüttelt ablehnend den Kopf; diesen Film will er nicht sehen, also bittet er Carla, einen anderen auszusuchen.
Doch sie ist genau auf diesen Film fixiert. Sie weiß, dass sie ihn nicht mögen wird, doch sie weiß auch, dass sie beide ihn sehen müssen. Als Teufelsaustreibung, um alles hinter sich zu lassen.
Viele Monate sind seit jenem verfluchten Nachmittag vergangen, doch Antonio ist trotzdem irgendwie aufgeregt, als der Platzanweiser die Eintrittskarten abreißt.
Heute Abend läuft Die Banditen von Mailand von Carlo Lizzani, mit Gian Maria
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