Milchbart (German Edition)
Trägergesellschaft gezwungen gesehen, viel mehr Land zu kaufen, als für das Projekt notwendig gewesen wäre. Der Besitz, der zur Parkklinik gehört, erstreckt sich fast bis nach Wimpassing, auf halber Strecke dorthin liegt das halb verfallene Forsthaus.«
»Wie kamen denn die beiden seither miteinander aus?«, fragte Fanni.
Die drei Besucherinnen sahen sie irritiert an.
»Marita Bogner und ihr Sohn«, konkretisierte Fanni.
»Ach so.« Frau Praml reagierte als Erste. »Na ja, nichts hatte sich geändert. Marita hat sofort wieder versucht, an ihm herumzuerziehen, als wäre er ein kleiner Bub. Aber genau damit hat sie ihn damals ja verscheucht.«
»Sie war halt so eine Glucke«, sagte Frau Weber.
Nun wirkte Fanni irritiert – so sehr, dass die Damen sie forschend anblickten. Da teilte sie ihnen mit, was Schwester Rosa über Marita Bogner gesagt hatte: »Sie war kalt wie ein Fisch, und ihr Mann hat darunter sehr gelitten.«
Fannis Besucherinnen brachen in Gelächter aus.
»Rosa«, japste Frau Praml.
»Bertie«, kicherte Frau Weber.
Frau Böckl fasste sich schneller als die beiden anderen. »Rosa – sie ist übrigens eine entfernte Verwandte von mir – und Bertie haben viele Jahre zusammengelebt; genau gesagt so lange, bis ihm Marita über den Weg gelaufen ist. Wegen Marita hat er sich von Rosa getrennt.«
»Aber auf ihn lässt Rosa nichts kommen«, fügte Frau Praml hinzu. »Vor einem knappen Jahr hat sie Bertie sogar den Buchhalterjob in der Parkklinik besorgt, nachdem man ihn bei Sänger & Co wegrationalisiert hatte. Sie hat Bertie in der Parkklinik untergebracht«, betonte sie, »nicht Marita, obwohl die ja auch schon von Anfang an hier beschäftigt war.«
»Der Professor soll sich von Rosa eine Menge einflüstern lassen, heißt es«, warf Frau Weber ein.
»Weil er auf sie bauen kann«, sagte Frau Böckl. »Seit sie Bertie an Marita abtreten musste, geht Rosa ganz in ihrem Dienst für Hornschuh und seine Projekte auf.«
Fanni gab sich größte Mühe, all die Informationen aufzunehmen, einzuordnen und zu speichern, die Schlag auf Schlag kamen.
»Sie müssen doch selbst schon gemerkt haben, dass Schwester Rosa hier überall mitmischt«, sagte Frau Praml, enthob jedoch Fanni einer Antwort, indem sie fortfuhr: »Manche behaupten ja, Rosa fährt Doppelschichten, damit sie immer zur Stelle ist und bloß nichts verpasst. Aber das kann der Professor doch wohl nicht zulassen. Für einen Klinikbetrieb gibt es schließlich Vorschriften, Regelungen, die …«
Frau Böckl ließ sie nicht ausreden. »Vorschriften hin oder her. Wie ich Rosa einschätze, schert sie sich nicht um Vorschriften, wenn sie ihr nicht in den Kram passen.«
»Heißt es nicht, sie sei die einzige voll ausgebildete Schwester hier?«, flocht Frau Böckl ein. »Die anderen sind angeblich nur Hilfskräfte.«
»Unsinn, ich weiß aus ganz sicherer Quelle, dass Helga examiniert ist«, tat sich Frau Weber hervor.
»Und Christine hat auch ein Prüfungszeugnis in der Tasche«, wusste Frau Praml.
Fanni kam in den Sinn, dass sie einmal im Fernsehen gesehen hatte, wie es in einem Börsensaal zuging. Bekanntmachungen und Zurufe schienen sich zu überlagern und gegenseitig auszustechen; es war unmöglich, in all dem Drunter und Drüber aus den laufenden Vorgängen schlau zu werden.
Deine Nachbarinnen handeln ihre Informationen nicht an der Börse, sondern servieren sie dir auf der polierten Platte eines Stilmöbels! Etwas Konzentration, wenn ich bitten darf!
Als Fanni ihre Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch zuwenden wollte, stellte sie fest, dass auf einmal Stille eingetreten war.
Frau Praml sah auf ihre Armbanduhr.
»Zeit für die Bibelgruppe?«, fragte Frau Weber.
Frau Praml nickte. »Wie immer um zehn Uhr dreißig im Pfarrhof. Da bleiben uns bloß noch zwanzig Minuten.« Zu Fanni gewandt sagte sie: »Wie Sie vielleicht wissen, Frau Rot, beschäftigen wir vom katholischen Frauenbund Birkdorf uns einmal pro Woche mit der Auslegung von Bibelstellen. Sie glauben gar nicht, welche Einsichten einem dabei kommen. Manchmal fällt es uns wie Schuppen von den Augen.«
Beneidenswert, dachte Fanni. Nichts wünsche ich mir im Augenblick mehr, als dass es mir wie Schuppen von den Augen fiele und mir blitzartig klar würde, worin das Motiv für den Mord an Frau Bogner liegt.
Eifersucht ist doch schon mal ein ganz gutes! Und eigentlich brauchst du nicht einmal einen Blick in die Bibel zu werfen, um darauf zu verfallen!
Frau Praml hatte sich bereits
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