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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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hast du es ohnehin nur den Indizien gegen Alexander und dem Umstand, dass du hier in der Klinik sozusagen festsitzt, zu verdanken, dass sie dich noch nicht eingesperrt haben.
    »Man macht sich halt so seine Gedanken«, erwiderte Fanni. »Finden Sie nicht auch, dass uns der exakte, der ganz genaue Todeszeitpunkt eine Menge verraten könnte?«
    »Was denn zum Beispiel?«, fragte der Ermittler.
    Fanni gab auf. Der Kerl würde ja wohl selbst wissen, dass ein Verdacht gegen sie kaum mehr aufrechtzuerhalten war, falls sich die Tatzeit auf früher als zehn Uhr festlegen ließ, denn zwischen neun und zehn hatte sich ja Alexander in Frau Bogners Zimmer aufgehalten, während Fanni in Gesellschaft eines halben Dutzends Mitpatienten zu fremdländischen Klangfolgen meditierte.
    Om mani padme hum!
    Und er würde ja wohl auch wissen, dass er eine ganze Klinik voll Tatverdächtiger hatte, falls der Mord schon vor neun Uhr begangen worden war. Denn dann stellte sich die Frage, wer war vor Alexander da gewesen?
    Ebenso wie die, weshalb sich Milchbart auf eine Therapiesitzung mit einer Leiche eingelassen hat!
    Alexander wirkt viel zu vernünftig, als dass er so etwas getan hätte, dachte Fanni. Als er zurückkam und mich mit der Toten vorfand, hat er – bis auf die Umarmung – erstaunlich geistesgegenwärtig gehandelt.
    Milchbart könnte seine Stunde geschwänzt haben!
    Fanni entfuhr ein leises Zischen. Falls Alexander zu seiner Sitzung nicht erschienen war, hätte Marita Bogner tatsächlich schon eine ganze Weile tot sein können.
    Aber warum, fragte sich Fanni, sollte er sein Fernbleiben geheim halten? Sie schüttelte unmerklich den Kopf, als könne sie diese neue Spekulation damit begraben.
    Der Kriminalbeamte sah sie mit hartem Blick an. »Der Todeszeitpunkt erlaubt jedenfalls durchaus die Annahme, dass Sie Frau Bogner getötet haben.«
    Was die Frage, inwieweit er sich eingrenzen lässt, nicht unbedingt beantwortet, dachte Fanni und nahm sich vor, noch einmal mit Alexander zu sprechen.
    Geistesgegenwart hin oder her, dachte sie, hat Schwester Rosa nicht ernsthaft in Betracht gezogen, Alexander könnte seine Therapiestunde in Gesellschaft einer Toten verbracht haben? Sie kennt ihn entschieden besser als ich.
    Wenige Minuten später trat sie bleich und zitternd auf den Flur. Der Kriminalbeamte hatte sie entlassen, ja. Aber nicht ohne ihr zuvor offiziell mitzuteilen, dass sie die Hauptverdächtige in diesem Mordfall war, dass der Staatsanwalt wegen mangelnder Fluchtgefahr im Moment zwar davon absehen wollte, einen Haftbefehl gegen sie zu erlassen, dass damit jedoch über kurz oder lang zu rechnen sei.
    Kurz vor elf! Jetzt musst du dich aber sputen, wenn du zur Gruppengymnastik nicht zu spät kommen willst!
    Fanni war nicht im Mindesten danach, daran teilzunehmen, sie fragte sich jedoch besorgt, wie man ihr Fernbleiben auslegen würde.
    Nachteilig! Also: hopp, hopp!
    Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig, belegte mit ihrer Gummimatte einen Platz in der Ecke und versuchte, sich auf die Übungen zu konzentrieren.
    Gehorsam stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um – wie verlangt – nach den Sternen zu greifen.
    »Tüchtig strecken, hoch und hoch und hoch und hoch. Fein. Und jetzt mit den Fingerspitzen die Matte berühren, tief und tief und tief und tief.«
    Für die folgende Übung verschränkte Fanni die Arme über dem Kopf, dann beugte sie sich, so wie die Kursleiterin es vormachte, mal nach rechts mal nach links.
    »Locker in die Knie gehen, aber nicht das Becken kippen. Links hinunter, rechts hinunter, links hinunter, rechts hinunter. Sehr gut. Und jetzt geht es im Vierfüßlerstand weiter.«
    Fanni kniete auf der Matte, machte abwechselnd Katzenbuckel und Hohlkreuz.
    »Hoch mit dem Po, den Rücken ganz durchhängen lassen. Noch einmal Katzenbuckel. Und wieder hoch mit dem Po. Prima. So, meine Damen und Herren, jetzt dürfen Sie sich auf den Rücken legen.«
    Als Fanni eine gute Stunde später den Speisesaal betrat, sah sie Alexander allein an einem Tisch sitzen. Eilig hielt sie auf ihn zu, ließ sich ihm gegenüber nieder, gab schroff Antwort auf seine Zwangsfrage und fiel dann mit der Tür ins Haus.
    »Es geht nicht anders, Alexander, ich muss es dich fragen: Bist du sicher, dass Frau Bogner gestern Morgen während deiner Therapiestunde noch gelebt hat?«
    Während Fanni sprach, hielt sie die Augen fest auf Alexander gerichtet. Doch gleich darauf senkte sie verlegen den Blick, denn er schaute sie so vorwurfsvoll an,

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