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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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den Tatsachen. Als Lüge musste jedoch gewertet werden, dass Fanni ihren Mann glauben machte, für sie wäre bereits an diesem Nachmittag eine Therapiestunde vorgesehen.
    »Das trifft sich gar nicht so schlecht«, antwortete Hans Rot, »weil doch die Ruheständler vom Schützenverein immer donnerstags um drei zum Stammtisch in Alt Schaching zusammenkommen. Da wollte ich sowieso gern mal wieder hin.«
    Fanni wünschte ihm viel Spaß und legte erleichtert auf.
    Alt Schaching! Hat dein Mann nicht neulich erwähnt, dass dort so eine hübsche Blonde mit einer hollywoodreifen Figur und dem für Ostbayern geradezu exotischen Namen Yvonne die Wirtshausgäste bedient?
    Tja, dachte Fanni, die alten Schützenknacker haben sich halt gut überlegt, was sie den ganzen Nachmittag lang vor Augen haben wollen.
    Indessen hatte sie begonnen, Sprudels Telefonnummer in Birkenweiler zu wählen. Er meldete sich nach dem ersten Klingeln. Als Fanni ihn fragte, ob er ein, zwei Stündchen Zeit für sie hätte, erwiderte er, für sie habe er alle Zeit der Welt, und versprach, in spätestens einer halben Stunde bei ihr in der Parkklinik zu sein.
    Daraufhin machte sich Fanni die Mühe, etwas Lippenstift aufzutragen und die Augenbrauen nachzuziehen. Sie benutzte sogar einen Kamm, um ihre Frisur zu richten, was sie sonst meist mit den Fingern tat. Dann ging sie die Treppe hinunter, um im Foyer auf Sprudel zu warten.
    An der letzten Stufe lief Schwester Helga in sie hinein. Die Schwester war mit einem Stapel einzeln verpackter Kittel beladen, über den sie nicht hinwegsehen konnte. Fanni hatte zwar noch versucht, ihr auszuweichen, aber es war schon zu spät gewesen. Schwester Helga kam so abrupt zum Stehen, dass ihr die Zellophantüten aus den Händen rutschten und sich über den Fußboden verteilten.
    Sie ließ sich auf die Treppenstufe sacken. »Wie ich es befürchtet habe. Hätte ich doch lieber auf den Lift gewartet.«
    »Ich helfe Ihnen«, bot Fanni an und begann, die Tüten aufzusammeln. Schwester Helga raffte sich auf und tat es ihr gleich.
    Wenig später war Fanni mit einem Arm voller Schwesternkittel wieder auf dem Weg nach oben. Sie folgte Schwester Helga in die Wäschekammer, wo der Vorrat an frischen Kitteln offenbar aufbewahrt wurde. Gemeinsam räumten sie die Tüten in das dafür vorgesehene Fach.
    »Im Moment läuft wohl gar nichts nach Plan«, sagte Fanni.
    Nur zu, ran wie Blücher! Eine solche Gelegenheit, jemanden vom Personal auszuhorchen, kommt so schnell nicht wieder!
    »Wie auch«, antwortete Schwester Helga. »Eine der Therapeutinnen ist gestern ermordet worden, und das in ihrem eigenen Behandlungszimmer.«
    »Kannten Sie Marita Bogner gut?«, fragte Fanni ohne Umschweife.
    Schwester Helga zuckte die Schultern. »Wie man halt jemanden kennt, der – genauso wie ich – hier seine Arbeit tut. Man läuft sich dort und da über den Weg, nimmt gemeinsam an Besprechungen teil, kümmert sich ansonsten um seine eigenen Angelegenheiten …« Ihre Stimme senkte sich nicht, wie es das Ende des Satzes verlangt hätte, sondern blieb hängen, als überlege Schwester Helga, ob sie weitersprechen sollte oder nicht.
    Fanni wartete geduldig.
    »… aber selbst wenn man einer Kollegin nicht besonders nahesteht, fallen einem Veränderungen ins Auge, und dann macht man sich so seine Gedanken.«
    »Sie haben sich Sorgen gemacht – um Frau Bogner?«, fragte Fanni vorsichtig.
    Schwester Helga schluckte. »Eigentlich wollte ich ja nicht darüber reden.«
    Fanni schwieg und beschäftigte sich angelegentlich mit den Tüten, als wäre es ihr egal, ob Schwester Helga worüber auch immer reden wollte oder nicht.
    Der Trick funktionierte.
    »Vor ein paar Monaten hat es angefangen«, begann Schwester Helga, »und zwar ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, als Frau Bogners Sohn zurückgekommen ist. Tillman war noch keine zwei Wochen wieder daheim, da konnte man die Spannungen zwischen Marita und ihrem Mann geradezu mit Händen greifen. Obwohl der Junge bald darauf in der Forsthausruine eingezogen und den beiden von da an eigentlich ja gar nicht mehr in die Quere gekommen ist, wurde es von Woche zu Woche schlimmer. Marita wirkte immer verbitterter, Bertie immer deprimierter. Es ist ganz deutlich zu spüren gewesen, wie sich die beiden voneinander entfernt haben, und es war auch nicht zu übersehen, dass sich Bertie wieder verstärkt Schwester Rosa, seiner früheren Lebensgefährtin, zugewandt hat. Ich habe die beiden oft miteinander tuscheln sehen.«
    Fanni

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