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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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beraubt worden waren. Nach einigen Minuten gelangten sie zu einer freien Fläche und stellten fest, dass sie sich wie ein Grenzstreifen über die gesamte Breite des Parks erstreckte, was tags zuvor im beschränkten Lichtkreis der beiden letzten Laternen nicht auszumachen gewesen war. Nachdem sie das mit niedrigem Buschwerk und Kriechgewächsen bepflanzte Terrain überquert hatten, befanden sie sich am Waldrand.
    »Genau an dieser Stelle haben wir gestern die Stirnlampen aufgesetzt«, sagte Fanni. Sie blieb stehen und ließ den Blick über den sandigen Belag gleiten, mit dem der Weg eingeebnet worden war. Wie sie schon am Abend zuvor bemerkt hatte, war die Sandschicht so festgewalzt, dass sie wie Beton wirkte.
    Der Ohrring müsste auffallen wie ein Glühwürmchen in der Dunkelkammer, wenn er hier läge!
    So ist es, dachte Fanni und ging weiter. Offenbar hatte sie ihn doch woanders verloren.
    Der Wald, in den sie nun eintauchten, zeigte sich kreuz und quer von kleinen Schneisen durchzogen. Die Bäume standen weit auseinander, sodass das Gehölz einen sehr lichten Eindruck erweckte.
    »Ab jetzt müssen wir Ausschau nach der Forsthausruine halten«, sagte Fanni.
    Es sollte jedoch noch fast zwanzig Minuten dauern, bis sie das alte Gebäude schließlich erreichten. Sprudel nutzte die Zeit, die sie bis zur Weggabelung benötigten, um Fanni von seinem Zusammentreffen mit Frau Becker zu berichten. Ein Geständnis, das ihm sichtlich peinlich war.
    Fanni versuchte, ihn zu aufzumuntern. »Dein Schachzug war prima, Sprudel, und hätte in den meisten Fällen geklappt. Dass du unverrichteter Dinge wieder abziehen musstest, liegt wohl einfach daran, dass Psychotherapeuten kein unbedachtes Wort entschlüpfen lassen. Im Gegensatz dazu können Schwestern nachgerade redselig sein.« Sie begann, von ihrem Gespräch mit Schwester Helga zu berichten.
    Daraufhin rätselten sie ergebnislos hin und her, was Marita Bogner gegen den Professor so sehr aufgebracht haben könnte, bis Fanni sich aufraffte, gleichfalls ein Geständnis zu machen, das ihr peinlich war.
    Sprudel unterbrach sie mit keinem Wort, während sie berichtete, wie sie den Umkleidebereich der Schwestern durchsucht, was sie dort gefunden hatte und dass nicht viel gefehlt hätte und sie wäre dabei aufgeflogen.
    Zugegeben, er sagt kein Wort! Aber ich finde, man kann laut und deutlich hören, was er denkt: Warum musst du es nur so sehr darauf anlegen, Fanni Rot, dich von einem Schlamassel in den nächsten zu manövrieren?
    Sollte Sprudel das tatsächlich gedacht haben, ließ es sich dem, was er letztendlich sagte, nicht entnehmen. »Du hast recht, solche Fotos riechen nach Erpressung. Meinst du, sie könnten mit dem Mord an Marita Bogner etwas zu tun haben?«
    Fanni schüttelte den Kopf.
    Das Forsthaus befand sich ein kleines Stück hinter der Abzweigung nach Wimpassing. Es lugte kaum zwischen den hier etwas dichter stehenden Bäumen hervor, und weniger aufmerksame Wanderer als Fanni und Sprudel wären sicherlich daran vorbeigelaufen.
    Hinter dem Sichtschutz aus Geäst tat sich ein derart idyllisches Plätzchen auf, dass Fanni so befreit ausatmete, als hätte sie eine schwere Last abstellen dürfen. Sprudel griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. So standen sie eine Weile da und ließen die friedliche Stille auf sich wirken.
    Spätherbstliche Sonnenstrahlen hatten sich durch Wolkenlücken gestohlen, spendeten einen Hauch von Wärme und überzogen die Waldlichtung mit einem goldenen Schimmer. Das ehemalige Forsthaus hockte in einer flachen Kuhle, als wäre es vor Urzeiten dort herausgewachsen. Die Dachziegel waren stark bemoost, die alten Balken und Mauersteine zeigten sich brüchig, verwittert und mit einer dicken Patina aus Grünspan und längst vermoderten Blättern überzogen, die sich zu einer ledrigen Schicht verbacken hatten.
    Vielleicht strahlt das Haus gerade wegen seiner Altersspuren eine Ruhe und Würde aus, die man wie eine beschützende Zudecke empfindet, ging es Fanni durch den Kopf.
    Erst nach einiger Zeit bemerkte sie, dass das Grundstück von recht eigenartigen Figuren bevölkert war. Da sie sich perfekt ins Bild fügten, liefen sie Gefahr, als natürlicher Teil der Umgebung betrachtet zu werden.
    Aber sind es nicht ebendiese Gestalten, die dem Ganzen erst Leben und sogar Heiterkeit verleihen?
    Direkt vor der Eingangstür befand sich ein stämmiger, aufrecht stehender Ast mit einer kugelförmigen Verdickung am oberen Ende, dem Schlieren in Blau und Ocker das

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