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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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Kuchenorgie in der Redaktion wurden von Neulingen nur so lange nicht ernst genommen, bis sie an der redaktionellen Pinnwand die entsprechenden Bilder sahen.
    „Was willst du denn backen?“, fragte Allmers interessiert. Er freute sich schon auf etwas Neues aus Hella Köhlers Backofen.
    „Ich glaube“, sagte sie, „ich muss ein wenig aufpassen, sonst sehe ich bald gar nichts mehr.“
    Der Verlauf ihrer Krankheit wäre, das wusste Allmers und er hat es ihr immer wieder vergebens zu erklären versucht, viel milder gewesen, wenn sie ihre Naschsucht und ihre Kuchenleidenschaft in den Griff bekommen hätte. Aber selbst ihr Arzt hatte es irgendwann aufgegeben, sie zu warnen, nachdem sie ihn bei jedem Arztbesuch mit Zitronentorte verwöhnt hatte.
    „Lies mir das mal bitte vor“, meinte sie und deutete auf ein Rezept.
    Allmers glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er die Überschrift über dem Rezept sah: „Diättorte“ stand da in großen Buchstaben und als er langsam die Zutatenliste vorlas, sah er, wie sich Hellas Miene verfinsterte.
    „6 Blatt weiße Gelatine“, begann er, „ ein achtel Liter kaltes Wasser, Saft von 4 Orangen, soviel Süßstoff wie 60 g Zucker entspricht, 350 g Magerquark, 200 g Zwieback.“
    „Das reicht“, sagte Hella und stand auf. „Das kann doch kein Mensch essen. Süßstoff, Magerquark und Zwieback! Das soll dann ein Kuchen werden. Sehr lecker. Der Mist kommt nicht in unser Buch!“
    „Aber“, versuchte Allmers zaghaft einzuwerfen, „wenn du so weitermachst, bist du bald ganz blind.“
    Wie immer an diesem Punkt wechselte Hella Köhler abrupt das Thema:
    „Wie lange bleibt deine Nichte noch?“
    Allmers überlegte, ob er das Gespräch wieder auf ihren Diabetes bringen sollte, aber er wusste, dass es hoffnungslos war:
    „Übermorgen fährt sie wieder. Morgen treffen wir uns noch einmal mit Werner, ihr Zug geht übermorgen um halb acht.“
    *****
    Das Haus war leer, als er nach dem Besuch bei Hella auf seinem Hof ankam, ebenso der kleine Schuppen, der als Fahrradunterstand diente. Nina war noch unterwegs, dachte er und er hatte ein seltsames Gefühl dabei. Sie war bisher sehr zuverlässig und pünktlich gewesen. Zum Abendessen war sie immer erschienen, auch wenn vorher nichts abgemacht worden war.
    Allmers stellte das Rad ab, sah sich ein wenig auf dem Hof um, in der Hoffnung, ihr Rad irgendwo an einer Hauswand abgestellt zu entdecken, aber seine Suche blieb erfolglos.
    Irritiert ging er ins Haus, begann den Tisch zu decken, kochte Tee und legte Käse auf einen Teller. Als er auf die Uhr sah, erschrak er. Er selbst hatte die Zeit bei Hella vergessen und es war mittlerweile zehn Minuten nach Neun.
    Allmers nahm sein Handy, suchte im Speicher nach Ninas Nummer.
    „Sie sind verbunden mit der Mailbox des Anschlusses von“, quakte die Computerstimme und Allmers legte auf, bevor er Ninas Stimme ihren Namen sagen hörte.
    Er schrieb ihr per SMS, sie solle nach Hause kommen, aber nichts geschah.
    Allmers wurde erst wütend, nach einer weiteren halben Stunde Wartezeit ängstlich und um zehn rief er seinen Bruder an.
    „Bei jungen Mädchen sollte man sich nicht so aufregen“, versuchte sein Bruder ihn zu beruhigen, „das ist doch normal.“
    „Was weißt du denn von jungen Mädchen?“, Allmers war wieder wütend. „Da bist du ein richtiger Experte, oder?“
    „Willst du etwa eine Vermisstenanzeige aufgeben?“, Der Staatsanwalt wurde ungehalten. „Vielleicht hat sie einen aufgegabelt und vergnügt sich ein bisschen. Lass sie doch.“
    „Sie ist in den drei Wochen noch nie zu spät gekommen. Außerdem hat sie heute Nachmittag gesagt, dass sie sich mit einem Mädchen trifft.“
    „Sie hat sich also ordnungsgemäß abgemeldet?“, spottete Werner Allmers.
    „Mir fehlt gerade jeder Sinn für deinen Humor“, entgegnete Hans-Georg böse. „Wenn ihr irgendetwas passiert, werde ich meines Lebens nicht mehr froh. Rosemarie wird mir das nie verzeihen.“
    Mittlerweile war es dunkel geworden. Allmers beendete das Gespräch mit seinem Bruder und beschloss, auf die Suche nach Nina zu gehen. Krampfhaft überlegte er, wer die Jugendlichen gewesen sein könnten, die Nina am Strand kennen gelernt hatte. Er vermutete, dass sie sich mit jemand aus dieser Gruppe getroffen hatte. Warum sie sich nicht meldete, war ihm schleierhaft.
    Er saß schon auf seinem Fahrrad und wollte losfahren, als er sich entschloss, doch das Auto zu nehmen. Er wollte schneller einen größeren Radius abfahren

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