Milchgeld: Kluftingers erster Fall
ham g’schlossn«, brummte der Mann und richtete den Wasserstrahl nun auf den Boden.
»Ich weiß, ich weiß. Ich will ja auch nichts kaufen. Ich wollt’ nur fragen, ob ich den Herrn Lutzenberg sprechen könnte.«
Der Mann und die Frau tauschten einen kurzen Blick. »Der wohnt doch schon lang nimmer da«, sagte die Frau kopfschüttelnd und ergänzte, mit Blick auf ihren Mann: »Ist der net ins Unterland zog’n?«
»Glaub scho«, erwiderte der ohne aufzusehen.
»Ja, wissen Sie denn zufällig, wohin der Herr Lutzenberg gezogen ist? Ich dachte nämlich, dass das hier seine Käserei ist.«
»Ha, jetzt muss ich aber schon lachen«, sagte der Mann, ohne auch nur den Anflug eines Lächelns zu zeigen. »Sehr gut scheinen Sie den Lutzenberg ja nicht zu kennen. Soviel ich weiß, hat der nie was mit der Käserei zu tun haben wollen.«
»Ist das denn nicht seine Käserei?«
Der Mann lachte. »Sicher nicht. Weil das nämlich unsere Käserei ist.«
Maier wurde es jetzt zu bunt. Er zückte seinen Ausweis, stellte sich vor und sagte: »Wir müssen unbedingt Robert Lutzenberg sprechen. Sofort.«
Kluftinger nickte seinem Kollegen zu und gab ihm gleichzeitig mit der Hand ein Zeichen, die Leute nicht zu forsch anzugehen.
»Das ist natürlich was anderes«, sagte der Mann und drehte den Wasserhahn ab. »Aber da wird Ihnen ihr Ausweis auch nicht viel nützen«, zeigte er sich dennoch wenig beeindruckt von Maiers autoritärem Auftreten. »Der Lutzenberg ist nämlich seit ungefähr einem dreiviertel Jahr tot.«
Jetzt verstand Kluftinger gar nichts mehr. »Sie haben doch gerade gesagt, dass er … na … im Unterland wohnt.«
»Ja, sein Sohn«, mischte sich jetzt wieder die Dame des Hauses ein. »Der Andreas wohnt da, ich glaub der ist Lehrer oder so. Früher war er noch ab und zu hier, aber seit sein Vater tot ist, hab ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Haben Sie die Käserei von seinem Vater gekauft?«, wollte Kluftinger wissen.
»Eigentlich mehr übernommen. Der Lutzenberg wollte nicht viel dafür. Ihm war es wichtiger, dass das G’schäft in guten Händen weitergeführt wird. Wissen Sie, er hat immer drauf geschaut, dass hier lauter erstklassige Sachen hergestellt wurden. Und das hat sich rumgesprochen, sonst hätt’ so ein kleiner Betrieb gegen große Käsereien und Milchwerke doch gar keine Chance gehabt. Wir haben uns inzwischen auch einer größeren Kette angeschlossen, die uns das, was wir nicht direkt verkaufen, garantiert abnehmen. Bei 500 Kilo Käse am Tag, die wir produzieren, müssten wir ja 24 Stunden im Laden stehen, um den auch an den Mann zu bringen. Aber der Lutzenberg hat noch autonom gewirtschaftet. Wie sich das gerechnet hat, weiß ich auch nicht.«
Als der Mann erkannte, dass er mit seiner weitschweifigen Antwort von der eigentlichen Frage abgekommen war, ergänzte er: »Und ich hab eben bei dem Lutzenberg gearbeitet. Da wusste er Bescheid, dass bei mir alles in guten Händen ist.«
»Haben Sie eine Adresse von seinem Sohn?«, fragte Maier und hielt dem Mann sein Diktiergerät unter die Nase.
»Nein, das nicht, aber hier in der Nähe, in Weiler, haben sie noch ein Haus. Ich glaube da wohnt irgendeine Großtante oder so darinnen. Die kann ihnen bestimmt weiterhelfen«, sagte der Mann und versuchte dabei sichtbar angestrengt, möglichst fehlerfreies hochdeutsch in das Gerät zu sprechen.
»Gut, dann fahren wir da hin«, sagte Kluftinger und machte kehrt. Als er schon fast die Tür erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um.
»Ach so«, tat er so, als sei ihm gerade noch etwas Wichtiges eingefallen. Tatsächlich wollte er es aber schon die ganze Zeit fragen: »Kann ich vielleicht doch jetzt schon ein Stück Käse bei Ihnen kriegen?«
***
Einige Minuten später saßen Maier und Kluftinger mit dem Stück Parmesan, das der Kommissar bekommen hatte, im Wagen. Der Käser, der sich inzwischen als »Herr Stoll« vorgestellt hatte, war extra mit ihm in den Keller gegangen. Ins Käsepradies, sozusagen. Denn was Kluftinger da sah, verschlug ihm den Atem: Zwei Räume waren bis unter die Decke mit großen, goldgelb glänzenden Käselaiben gefüllt. Das Erstaunlichste daran war für den Kommissar, dass es hier überhaupt nicht nach Käse roch. Es lag vielmehr ein beißender, salziger Geruch in der Luft, der offenbar von der Lösung kam, in der einige der Käse schwammen.
Stoll hatte extra für den Kommissar einen frischen Laib angeschnitten und ihm dann ein Stück geschenkt. Zwar war Kluftinger das
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