Milchgeld: Kluftingers erster Fall
ist er am Ende mit dem Fridolin verwandt? Ich hab doch dem Fridolin seine Tochter in der höheren Schule gehabt. Mei, das war ja eine so brave Schülerin, die …. na, wie hat sie noch geheißen? Die Maier, genau, jetzt fällt’s mir wieder ein. Mei, jetzt ist der Fridolin halt auch schon tot. Aber wie der damals gestorben ist, das ist mir gleich auch nicht ganz geheuer vorgekommen. Da sollt er einmal nachfragen, beim …«
»Ja, Frau Lutzenberg, das machen wir bestimmt«, unterbrach sie Maier, nachdem er mit seinem Chef einen leidvollen Blick getauscht hatte. Von der werden wir sicher nichts Brauchbares erfahren, sollte der sagen. »Jetzt müssen wir aber was über ihren Neffen wissen. Über ihren Ne-ffen.« Die letzten Worte sprach Maier sehr laut und betonte jede Silbe.
»Ich hab schon verstanden«, antwortete Lina Lutzenberg, »nur weil ich alt bin, braucht er nicht mit mir zu schreien.«
Kluftinger versuchte, sein Grinsen zu verbergen, indem er einen tiefen Schluck aus der Teetasse nahm.
»Jetzt trinken wir erst einmal einen Kräuterlikör zusammen«, erklärte die Dame des Hauses das Gespräch vorläufig für beendet. Alles protestieren half nichts: Sie stellte den beiden jeweils ein Glas »Selbstgemachten« hin.
Auch den schluckten sie tapfer. Und griffen sofort hastig zur Teetasse, denn das dunkle Gesöff verbrannte ihnen die Kehlen. als hätten sie in eine Peperoni gebissen. Kluftinger musste jetzt sogar sein Sommerjackett ablegen. Ihm war es egal, dass die dunklen Schweißflecken unter seinen Achseln sichtbar wurden, er hielt es einfach nicht länger aus.
»So, ist ihm heiß geworden?«, fragte Lina Lutzenberg und ihren Mund umspielte ein schelmisches Lächeln. Sie stand auf und ging mit den Worten »Das hätt’ er doch gleich sagen können« zum Fenster. Die Rettung. Der Kommissar spürte in seiner Vorstellung bereits den zarten Lufthauch, der gleich seine erhitzte Stirn kühlen würde – doch er wurde von einem lauten Ratschen aus seinen Tagträumen gerissen. Die Alte hatte, statt das Fenster zu öffnen, den Vorhang zugezogen. Kluftinger, der nicht zu Panikreaktionen neigte, fühlte sich plötzlich eingeschlossen. Ein Blick auf Maier zeigte ihm, dass es dem nicht besser ging.
Der Kommissar stand auf und lief etwas im Zimmer umher. Der Schweiß rann ihm inzwischen in kleinen Sturzbächen übers Gesicht, über die Augenbrauen und den Rücken hinunter.
»Bitte, Frau Lutzenberg, erzählen Sie uns doch etwas von ihrem Neffen. Vielleicht aus seiner Studentenzeit?«
Als sie den Kopf senkte und offenbar nachdachte, was ihr zu diesem Thema einfiel, schnappte sich Kluftinger ein gerahmtes Bild, das auf der Kommode stand, und fächelte sich damit Luft zu.
»Ja was fällt mir denn dazu ein? Mei, in München war er halt. Wissen’s, ich war ja als ganz kleines Mädchen auch schon mal in München, als …«
»Bitte, Frau Lutzenberg, wenn Sie einfach beim Thema bleiben. Kennen Sie den Studienkollegen ihres Neffen? Herrn Wachter?« Kluftingers Geduld war zu Ende. Entweder die Alte erzählte nun irgendetwas Brauchbares oder er würde dieses Dampfbad sofort verlassen. Sein Handgelenk schmerzte bereits, so heftig fächelte er mit dem Bild.
»Den Wachter? Wie heißt denn der mit Vornamen?«
»Philip«, rief Maier schnell, der damit versuchte, ein aktiver Teil des Gesprächs zu werden. »Philip Wachter.«
»Ja, den Philip, ja den hab’ ich ja fast ganz vergessen. Der war doch früher manchmal da gewesen. Wie die Frau vom Robert noch gelebt hat. Wissen’s, die hat doch diesen schlimmen Unfall gehabt. Das war für den Robert ganz schlimm. Jaja, aber der Philip, wie geht’s dem denn? Der Philip war ja auch ein netter. Wachter, hieß er, glaub ich.«
Kluftinger verdrehte die Augen. Es machte wirklich keinen Sinn, hier noch weiter zu bleiben. Vielleicht würde er eine Kollegin oder einen Kollegen vorbei schicken, um die Aussage der alten Frau zu protokollieren. Dann bräuchte er nur noch den Bericht lesen und würde sich viel Zeit sparen.
Er stellte das Bild wieder auf die Kommode und sagte »Vielen Dank. Sie haben uns sehr …«
Plötzlich hielt er inne. Er drehte sich ruckartig um, schnappte sich noch einmal das Bild, mit dem er gerade gegen einen Hitzschlag angekämpft hatte, und betrachtete es sich ganz genau. Es zeigte eine Szene vor einem Gipfelkreuz. Ein Mann, den Kluftinger auf Mitte 50 schätzte, stand davor und hatte die Hand um einen jüngeren gelegt. Beide lachten fröhlich in die Kamera.
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