Milchgeld: Kluftingers erster Fall
das, wo die beiden zusammen arbeiteten?«
»Es war eine Forschungseinrichtung im Lebensmittelbereich, die zwar kommerziell arbeitete, aber irgendwie auch an die Universität angegliedert war oder zumindest eng mit ihr zusammenarbeitete. Ganz genau weiß ich das auch nicht. Ich kann aber nachsehen, wie die Firma hieß, sie können es sicher aber auch selbst leicht herausfinden. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, was da im Einzelnen im Betrieb vorgefallen ist. Es gab einen großen Streit zwischen den beiden, aber ich habe mich nie richtig dafür interessiert. Es war einfach ein Zerwürfnis und ich war wohl zu jung, um von meinem Vater Details zu erfahren. Und irgendwann war es nicht mehr so aktuell. Mein Vater blieb ja dann noch weiter am Institut.«
»Und sie haben nie wieder einen der Lutzenbergs getroffen?«
»Nie. Sie waren im Allgäu, in Weiler, wir in Köln und als wir dann auch umzogen, hatten wir wirklich andere Probleme.«
»Verstehe. Sie kennen auch den Sohn nicht näher …?«, fragte Kluftinger, der merkte, dass dies eigentlich die gleiche Frage war, die er gerade gestellt hatte.
»Nur als Kind eben«, erwiderte Julia.
Der Kommissar bedankte und verabschiedete sich von Wachters Tochter.
Hektisch legte er auf und notierte sich auf einem Zettel einige Dinge, die er nun zu erledigen hatte. Das vorangegangene Gespräch hatte ihn auf eine Idee gebracht.
In seiner nicht sehr leserlichen Handschrift, von der sein Sohn sagte, sie gleiche der eines Schuljungen – tatsächlich schrieb Kluftinger immer in einer Art, die sehr stark an der Normschrift, die die Grundschüler zu lernen haben, erinnerte – schrieb er nieder:
• Institut ausfindig machen -Termin ausmachen!!
• Unbedingt herausfinden, was vorgefallen war – Archive, Fachzeitschriften nach Wachter und Lutzenberg durchforsten
• Käserei: Schönmanger nach beruflichem Vorleben ausfragen!!!
• Bartsch?
Während des Gesprächs hatte er sich diese Punkte überlegt, aber da Kluftinger wie die meisten Männer eben nur entweder telefonieren oder schreiben konnte – wie er auch nur entweder fernsehen oder reden, Zähne putzen oder reden, Radio hören oder reden, Zeitung lesen oder auf Fragen reagieren konnte, was seine Frau hingegen in den jeweiligen Kombinationen parallel beherrschte – schrieb er sich erst jetzt einen kleinen Merkzettel. Die Zettel waren eine Spezialität des Kommissars: Es waren Bedienungsblöcke mit dem Logo »Allgäuer Brauhaus«, die einer seiner Bekannten, mit dem er hin und wieder Schafkopf spielte und der bei der Brauerei arbeitete, ihm in ganzen Päckchen besorgte. Auch zu Hause hatte er immer diese Zettel, die er wegen des dünnen, leichten Papiers und des nach seiner Ansicht so praktischen Formats liebte – sie passten in das Scheinfach des Geldbeutels. Die Kollegen schüttelten oft den Kopf, schließlich gab es im Kemptener Polizeipräsidium genügend Papier, er aber brachte seine Schmierzettel selbst mit.
Kluftinger rief über das interne Telefonnetz bei Strobl an und bat ihn, sich über den früheren Arbeitsplatz Wachters in Köln zu erkundigen, die genaue Adresse dieses Instituts ausfindig zu machen und für spätestens den nächsten oder übernächsten Tag einen Gesprächstermin mit der Geschäftsleitung zu vereinbaren.
Danach rief er in der Abteilung an, die früher ein großes Zeitungs- und Nachrichtenarchiv mit großen Regalen war, die heute aber von Computern beherrscht wurde: Er gab bei den »Stubenhockern« in Auftrag, alles zu recherchieren, was über Wachter und Lutzenberg in Fachzeitschriften und Zeitungen zu erfahren war. Die Mitarbeiter hatten über ein Netzwerk Verbindung zum großen Informationsarchiv der bayerischen Polizei und mit dem nötigen Geschick war es den Kemptener Kollegen möglich, innerhalb weniger Stunden ein umfassendes Exposé dessen zusammenzustellen, was zum Beispiel über eine Person oder ein Ereignis in den Medien in den letzten Jahrzehnten berichtet worden war. Internet-, Intranet- und Datenbankrecherche waren für ihn böhmische Dörfer.
Maier, der vorher wohl, so schloss Kluftinger, noch mit der Interpol-Fahndung zu tun gehabt hatte – zumindest war sein Telefon belegt – wurde nun vom Kommissar definitiv mit der Vereinbarung eines Termins mit Herrn Schönmanger von der Krugzeller Käserei für den folgenden Tag beauftragt. Eigentlich wäre dies Sandys Job gewesen, aber ihr Apparat war seit einer Viertelstunde belegt, was sich Kluftinger nun wirklich nicht erklären
Weitere Kostenlose Bücher