Milchmond (German Edition)
war überrascht. Das Thema hatte er die letzten drei Monate vermieden. Er hatte bisher mit niemandem darüber gesprochen, so wie er sich auch selbst eine Art Denkverbot auferlegt hatte. Der Schmerz saß einfach zu tief in ihm. Jeder Gedanke an Sylvia ließ die alte Wunde wieder aufbrechen.
»Du weißt es also. Darf man fragen, woher?«
»Man darf. Doreen hat Sylvia beim Einkaufen getroffen und die beiden haben ein wenig miteinander geplaudert. Doreen hatte mich schon im Verdacht, dass ich ihr etwas verschwiegen hätte. Du kennst sie ja, sie muss immer alles wissen, was mir widerfährt, wen ich getroffen habe und dergleichen Dinge mehr. Aber zur Sache, warum hast du mir davon nichts erzählt? Ist es ein Geheimnis, oder vertraust du mir nicht mehr?« Tobias wich seinem fragenden Blick aus.
»Es ist einfach noch zu frisch. Ich kann noch nicht darüber reden«
»Frisch, dass ich nicht lache! Mann, das ist jetzt schon drei Monate her, und Sylvia hat der Doreen gesteckt, dass es deine Schuld war. Du hättest dich nach dem Winterurlaub so komisch verhalten. Ist da was dran?«
»Ich hab Schuld, na klar! Weißt du eigentlich, wie anstrengend es sein kann, mit so einem Energiebündel wie Sylvia, ständig in Action sein zu müssen? Partys hier, Nachtleben da, Spielbank dort, oder Sport - immer nur Hektik und die Gier nach Abwechslung. Sie schafft es einfach nicht, in sich selbst zu ruhen. Ich war nach zwei Wochen Seefeld, ehrlich gesagt froh, wieder nach Hause zu kommen und dem dortigen Dauer-Après-Ski entkommen zu sein. Du hast es gut. Du bist ja Familienmensch und musst nicht andauernd umher schwirren.«
»Wenn du es so siehst - stimmt! Ich könnte wirklich nicht so leben wie ihr beide es immer gemacht habt. Aber bisher dachte ich, es würde dir auch gefallen. Liege ich so daneben?«
»Hat es ja auch. Aber, Prof, wir werden nicht jünger. Ich bin bald vierzig und lebe immer noch ein Leben wie man es eher mit Ende zwanzig führen würde. Als wir jetzt wieder in Seefeld waren, da wurde es mir überdeutlich bewusst, dass es auch noch ein anderes Leben geben könnte. So wie du und Doreen zum Beispiel. Ich will eine Familie haben. Mir läuft die Zeit davon. Ich hatte mir das Loft als Kapitalbildung für ein späteres Haus gekauft. Ich sehne mich nach einem richtigen Familienleben.«
»Also mit Kindern und Chaos, höre ich recht?«
»Ja, du hörst recht. Ich will wissen, wo ich hingehöre, möchte mich darauf freuen, abends nach Hause zu kommen, Menschen zu haben, die zu mir gehören. Ich hatte Sylvia vor zwei Jahren schon einmal einen Antrag gemacht. Ihr war das zu früh erschienen, und sie bat mich, noch ein bisschen zu warten. Nun habe ich sie wieder gefragt, aber sie hat mir klipp und klar darauf geantwortet, dass sie auf Heirat und Kinder keine Lust hat. Sie könne sich ein solches Leben nicht vorstellen. Was soll man denn da noch machen, wenn die Lebensentwürfe zu verschieden sind und einfach nicht zusammenpassen wollen?«
»Mann, ich glaube, du wirst langsam erwachsen, was?« Nickend hatte Prof ihm zugehört. »Nee, also die Sylvia kann ich mir in der Rolle nun auch überhaupt nicht vorstellen. Besser man klärt das vorher, so wie ihr jetzt, als dass man das erst merkt, wenn man schon verheiratet ist.«
Das Essen kam und sie machten sich hungrig darüber her. Anschließend gingen sie wieder hinüber zur Halle. Das Antifouling war mittlerweile handtrocken, und so stiegen sie die Leiter hoch an Bord, um die Ausrüstung zu checken.
»Ich habe vorhin mit Doreen telefoniert. Sie fragt, ob du nicht Lust hättest, heute Abend zu uns zum Essen zu kommen Na wie steht es? Dann kannst du mal Familienleben aus der Nähe studieren. Wenn du die Kinder noch sehen willst, solltest du nicht ganz so spät kommen, weil sie zeitig ins Bett müssen. Du weißt, da ist Doreen sehr konsequent.«
Tobias musste nicht lange überlegen, das war eine gute Idee. Hatte er doch Doreen seit der Adventszeit nicht mehr gesehen. »Das ist eine gute Idee. Ich komme gerne. Danke für die Einladung.«
Sie wurden schneller mit dem Boot fertig als gedacht. Prof wollte noch einen kurzen Abstecher zu seiner Schwester nach Kiel machen, deshalb waren sie auch mit zwei Autos hergekommen. Wieder zurück in Hamburg, fuhr Tobias ins Einkaufscenter, denn er liebte es, den Kindern eine Kleinigkeit als Überraschung mitzubringen, auch heute wollte er nicht mit leeren Händen kommen.
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