Milchmond (German Edition)
reckte. Weißt du, was das für ein Autotyp ist?«
»Bämmmweeh!«, kam es ohne zu zögern. Er streckte beide Arme nach dem begehrten Objekt aus. »Ja richtig, ein BMW. Er kennt sich ja schon mächtig aus«, lachend schaute er Doreen an.
»Ja, ich weiß auch nicht, von wem er das hat. Etwa von dir?«
»Ja, kann schon sein, von seinem Vater jedenfalls nicht. Der kann doch keinen Porsche von einem Cadillac unterscheiden. Wo ist Prof überhaupt?«
Aus dem Augenwinkel sah er Eleonora erwartungsvoll dastehen. Sie wirkte auch ganz aufgeregt. »Hast du mir auch etwas mitgebracht?«
»Klar, meinst du, ich vergesse dich? Was sagst du hierzu?« Mit einer raschen Bewegung kam nun in Tobias Hand ein quietsch-grüner Frosch zum Vorschein.
»Quak, quak! Er heißt Robert, gefällt er dir?«
»Gib, gib!«, bettelte sie und nahm das kleine Kuscheltier mit vor Freude weit aufgerissenen Armen in Empfang.
»Und, wie heißt das, Eleonora?«, mit hochgezogener Stimme stand die Frage ihrer Mutter im Raum.
»Danke«, kam prompt die Antwort.
»So, nun geh durch ins Wohnzimmer!« Sie schob ihn durch die Tür zum Esstisch.
»HASE? Tobias ist da, komm runter!«, wie eine Sirene, so klar und schneidend war der Ruf unvermittelt von Doreen Richtung oberes Stockwerk ausgestoßen worden. Die Kinder waren solche Szenen gewöhnt. Ihre Mutter konnte eine beträchtliche Lautstärke entwickeln. Wenn es sein musste, konnte sie sogar auf zwei Fingern pfeifen. Der mit Hase Angesprochene erschien auf der Treppe und wischte sich noch schnell die Hände an der Hose ab. Er trug das karierte Flanellhemd über einem schwarzen T-Shirt offen über der Hose. »Ich musste nur noch mal schnell etwas löten!«, erklärte er entschuldigend.
Seit Tobias geklingelt hatte, waren erst Minuten vergangen und schon schien es ihm, als sei er hier bei Prof und Doreen in einem gänzlich anderen Universum gelandet. Es sah hier unten im Erdgeschoss für Tobias Begriffe reichlich chaotisch aus. Ein Seitenblick in die Küche ließ seinen Blick auf dampfende Töpfe fallen, die Arbeitsplatte und die Spüle standen voller Geschirr. Alle Fußbodenflächen waren übersät mit Spielzeugen der Kinder, und in der Ecke des Wohnzimmers stand noch das Bügelbrett mit Bügeleisen und einigen Kindersachen darauf.
Dieses sprichwörtliche Schlachtfeld kannte Tobias. Die Wohnung entsprach voll und ganz dem üblichen Wirkungsfeld von Prof, seine Doreen war ebenso gepolt. Sie hatte immer gute Laune und ein offenes Ohr für die Kinder. Zwar war sie mit einigen Erziehungsmaßstäben äußerst konsequent, aber darüber hinaus war sie auch ungeheuer großzügig und sah über die Unordnung gerne hinweg. Sie war eben eine Kreative, wie sie sich gerne selbst bezeichnete.
Sie töpferte - wenn ihr die Kinder Zeit dazu ließen. Sie besaß im Keller eine kleine Werkstatt mit eigenem Töpferofen. Ansonsten war sie freiberuflich tätig, verfasste Artikel für mehrere Zeitschriften und übernahm auch häufig Lektoratsaufträge für einen Hamburger Buchverlag. Sie hatte Germanistik und Geschichts-Wissenschaften studiert, beide Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien mit sehr gut bestanden und war als eine der wenigen in den Schuldienst übernommen worden. Seit die Kinder da waren, hatte sie sich entschieden, ihren Job an der Schule aufzugeben, um für die Kinder da zu sein. Ihre freiberufliche Tätigkeit ließ ihr dazu den nötigen Spielraum, den sie brauchte.
Es wurde ein schöner Abend. Die Kinder wurden abgefüttert und pünktlich um neunzehn Uhr ins Bett gebracht, natürlich nicht ohne eine kleine Gute-Nacht-Geschichte, die die beiden Geschwister sich immer gemeinsam von ihrer Mutter anhörten.
Später fanden die Erwachsenen Zeit und Muße, das Abendessen zu genießen. Die Kinder hatten Makkaroni zu essen bekommen, sie mochten nicht, was die Erwachsenen aßen. Die meisten Kinder mochten in dem Alter keinen Fisch und Senf schon gar nicht. Das Lachsfilet mit Reis und Senfsauce schmeckte okay. Zwar war Tobias die Sauce ein wenig zu scharf, wahrscheinlich hatte sie den einfachen Senf genommen, deshalb war der Geschmack nicht so, wie er von Tobias kreiert worden wäre. Aber gleich darauf schalt er sich innerlich einen unverbesserlichen Perfektionisten. Das hier war eben Familienleben mit Kindern, Bügelwäsche, heimischem Herd und Geborgenheit.
Anschließend unterhielten sie sich noch ein wenig zu dritt, dann ging
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