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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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gefangen da saß - er tat ihr leid - es tat ihr leid! Sollte es wirklich so enden?
   Sie musste raus - an die frische Luft! Im Gehen löste sie die Ohrringe mit beiden Händen und legte sie leise auf den Esstisch. Sie nahm ihren Mantel und zog die Tür des Lofts geräuschlos hinter sich zu.

Kapitel 5
     
     
    Mitte April.
Tobias sprang aus dem Bett. Diesen Samstag hatte er sich vorsichtshalber den Wecker gestellt, um nicht zu spät in der Marina zu sein, denn er war mit seinem Freund Andreas zur Bootspflege verabredet. Schließlich sollten die noch ausstehenden Restarbeiten möglichst heute erledigt werden, da am nächsten Wochenende der Kran gebucht war, um die Tobendra wieder ihrem nassen Element zu übergeben. Nachdem er rasch geduscht und sich im Stehen zwei Marmeladen-Toaste und einen Latte Macchiato gegönnt hatte, griff er zu seiner Tasche und machte sich gutgelaunt auf den Weg.
   Die Tobendra lag in Travemünde. Das war ungefähr achtzig Kilometer von seiner Wohnung entfernt, und so traf er eine gute Stunde später vor der Bootshalle der Marina ein. Das Tor stand weit offen, und es waren bereits allerhand Leute dabei, ihre Boote auf Vordermann zu bringen. Der Morgen war zwar sonnig, aber doch noch empfindlich kalt. Als er losgefahren war, hatte das Thermometer zehn Grad Celsius angezeigt. Gut, dass er sich den dickeren Pulli übergezogen hatte, dachte Tobias, während er die Kiste mit den Farben und Werkzeugen in die Halle trug.
   Andreas war schon da und hatte begonnen, die Schutz-planen zu lösen. »Moin, moin«, rief er Tobias von weitem zu. Er hatte ihn gleich bemerkt und kam ihm entgegen, um beim Tragen zu helfen. Sie setzten die Kiste vor dem Trailer ab, auf dem die Yacht stand und klatschten sich einmal herzlich auf die Handflächen. Es war ihr altvertrauter Gruß aus Gymnasialzeiten und immer noch festes Ritual zwischen ihnen.
   »Na, dann wollen wir mal, was? Hast du das Antifouling auf Dikupferbasis bekommen?«
   »Was meinst du, was ich hier in der Kiste habe, Frühstücksbrote oder was?«
   »Super! Fasst du mal vorne mit an? Ich bekomme die Plane alleine nicht herunter.«
   Nachdem sie herunter und zusammengelegt war, begannen sie, das Unterwasserschiff noch einmal leicht anzuschleifen, damit das Antifouling danach gut haften konnte. Gut drei Stunden später war die Arbeit geschafft. Tobias nahm seinem Freund die Lackrolle aus der Hand. »So, das war's! Zeit für eine kleine Mittagspause. Die haben wir uns verdient, was?«
   »Allerdings, ich hab' jetzt echten Hunger, Mann! Bin ja heute Morgen quasi aus dem Bett gefallen, ohne Frühstück. Doreen und die Kinder habe ich schlafen lassen. Komm, wirf doch die ollen Lackrollen weg, die wolltest du doch wohl nicht etwa noch sauber machen?«
   Das war typisch für Andreas. Er war der geborene Ex und Hopp Typ. Schon damals, als sie sich auf dem Gymnasium in Stade kennen lernten, war ihm Andreas immer als der geborene Chaot erschienen. Seine Zerstreutheit war legendär, deshalb hatten sie ihm in der Klasse auch den Spitznamen Prof gegeben. Mit seinen wirren, krausen Locken, die ihm ständig ins Gesicht fielen und die er sich deshalb immer mit dieser komischen Geste aus dem Gesicht wischte und seiner John-Lennon-Brille mit den Glasbausteinen, sah er wirklich aus, wie man sich einen zerstreuten Professor vorstellte. Schade eigentlich, dass er die Brille später durch Kontaktlinsen ersetzte - die Brille hatte so gut zu seinem Typ gepasst. So zerstreut, wie er jedoch immer wirkte, so genial waren seine mathematischen Fähigkeiten. In höherer Mathematik brachte er ihre Lehrer immer gehörig ins Schwitzen, wusste er doch häufig mehr als sie. Nach dem Zivildienst studierte er Wirtschaftsinformatik und schlug sich danach mit einer Reihe verschiedener Jobs im IT-Bereich durch. Erst vor drei Jahren bekam Prof den gut dotierten Job als Netzwerkadministrator bei einer großen Hamburger Bank.
   Tobias warf die beiden Rollen in den Mülleimer. »Hast ja Recht, Prof!« Sie streiften die Handschuhe ab und gingen rüber ins Clublokal. Rocky, der Wirt, stand höchstpersönlich hinter dem Tresen und begrüßte sie mit einem Kopfnicken. Den Spitznamen hatte er, weil er Stallone so ähnlich sah.
   Sie setzten sich ans Fenster, wo man einen herrlichen Blick aufs Wasser hatte. Sie bestellten beide das Stammgericht. »Du hast mir nicht erzählt, dass du dich von Sylvia getrennt hast, Alter. Ich dachte, wir wären Freunde?« Tobias

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