Milchmond (German Edition)
sie!
Sie verstaute gerade eine Papiertüte in ihrer Leinentasche und war anschließend mit dem Bezahlen beschäftigt. Tobias stellte sich rasch hinter sie und ließ unauffällig die zuvor präparierte Kasperlepuppe in ihren Beutel fallen. Er sah sich rasch um, niemand schien es bemerkt zu haben. Nun musste sie ihn nur noch sehen. Er stellte sich neben sie.
»Der Herr...?«, eine weitere Verkäuferin sprach ihn an.
»Oh, bin ich schon dran? Ja, also, die Champignons, woher stammen die?« Er hatte nur einen Lidschlag Zeit, zu ihr hinzusehen. Als sie sich umwandte, um den Stand zu verlassen, begegneten sich ihre Blicke. Sie schien ihn zu erkennen und schenkte ihm ein kurzes Lächeln.
»Was ist nun, wollen Sie die Champignons, mein Herr?«
»Äh, ja, ja, geben Sie mir ein halbes Kilo bitte, das ist alles!«
Zu dumm, er hätte sich nicht auf das Verkaufsgespräch einlassen dürfen. Seine guten Manieren hatten ihn davon abgehalten, den Stand einfach zu verlassen, um ihr nachzueilen. Bis er bezahlt hatte, war sie längst in der Menge untergetaucht. Er ging, so schnell es ihm in dem Gedränge möglich war, noch einmal den Markt ab.
Vergeblich.
Diesen Vormittag hatte er seine Füße geschunden, für einen Millisekunden-Blick von ihr! Gottseidank war ihm die Idee mit der Puppe gekommen. Die trug sie jetzt immerhin in ihrer Tasche. Bei dem Gedanken an den Kasper, den er ihr unbemerkt in die Tasche hatte gleiten lassen, fühlte er sich aufgeregt wie ein Schuljunge. Hoffentlich fand sie das nicht zu blöd und plump. Andererseits hatte er keine andere Chance gehabt. Es konnte gut sein, dass er sie nie wieder sah. Immerhin, ob gute Idee oder nicht, die Puppe befand sich in ihrer Tasche, und sie würde sie finden. Den Rest musste er dem Schicksal überlassen. Hoffentlich machte er sich nicht gerade selbst zum Kasper!
Kapitel 11
Julia trug die Einkäufe in die Küche. Sie hatte sich mit dem Einkaufen beeilt, denn heute Nachmittag waren sie bei ihren Eltern zum Kaffee eingeladen. Sie hörte Jörg oben am Klavier komponieren. Er konnte es einfach nicht sein lassen, obwohl die Sommerferien schon vor zwei Wochen begonnen hatten, ließ ihn die Musik nicht los. Er war ein Musikbesessener, anders konnte man ihn nicht bezeichnen.
Als sie begann, die Lebensmittel auszupacken und zu verstauen, stutzte sie: Was war das dort obenauf in dem Leinenbeutel? Sie erschrak. Hatte sie versehentlich eine Tasche vertauscht, als sie sie am Wochenmarktstand kurz abgestellt hatte, um das Geld aus dem Portemonnaie besser abzählen zu können? Sie ergriff verwundert die Handpuppe mit dem Kasperkopf. Nein, es war ihre Tasche, aber wie kam die Puppe dahinein? Kasper... da fiel ihr die kurze Begegnung mit dem Unbekannten ein, dem sie schon eine Woche zuvor beim Kasperletheater auf die Füße getreten war und mit dem sie zwei, drei Sätze gewechselt hatte. Sollte die Puppe etwa von ihm sein? Nein. Sie verwarf den Gedanken. Die musste ihr ein Kind in die Tasche gesteckt haben. Ja, dass war wohl das Wahrscheinlichste!
Sie legte die Puppe erst einmal beiseite und widmete sich dem Verstauen der Lebensmittel. Nachdem das erledigt war und Jörg anscheinend noch immer nicht registriert hatte, dass sie wieder zu Hause war, entschloss sie sich, einen doppelten Espresso zu trinken. Während die Maschine surrte, fiel ihr Blick wieder auf die Puppe. Sie nahm die Tasse und den Kasper und trat hinaus auf die Terrasse.
Dort stand noch das Frühstücksgeschirr. Typisch Jörg! Er hatte nicht einmal Zeit gefunden, das wenige Geschirr abzuräumen. Die Zeitung lag noch in mehreren Teilen zerfleddert da. Eine Doppelseite war von einem Windstoß auf den Boden gewirbelt worden.
Sie nahm das Teil seufzend auf und dachte: Ob ich mich jemals an Jörgs Chaos gewöhnen werde? Bevor sie in Ruhe ihren Kaffee genießen konnte, nahm sie die verderblichen Lebensmittel vom Tisch. Die Butter war bereits in ihren halbflüssigen Aggregatzustand übergegangen, die würde sie gleich entsorgen können. Sie konnte den Geschmack von Butter, die einmal weich geworden war, nicht ausstehen.
Dann, endlich, fand sie Zeit für eine kurze Verschnaufpause. Sie setzte sich so, dass ihr Gesicht im Schatten der Terrassenüberdachung blieb und nippte genießerisch das mittlerweile nicht mehr ganz heiße Getränk. Gedankenverloren nahm sie den Kasper zur Hand. Es war eine Fingerpuppe. Unwillkürlich fuhr sie mit ihrer rechten Hand hinein und stutze,
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