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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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Hörnern.
   »Ich überlege, mich selbständig zu machen. Das ist alles.« Nachdem sie einige Schritte gegangen waren, ohne dass Julia Weiteres hinzufügte, blieb ihr Vater stehen und sah sie an.
   »Und? Ein bisschen mehr solltest du mir schon erzählen. Wie stellst du dir das vor, und wie könnte ich dir dabei helfen?«
   »Ja, also... wo fange ich am besten an?«, begann Julia und fühlte sich das erste Mal unwohl in ihrer Haut. So richtig konkret hatte sie sich das noch nicht alles bis ins Einzelne ausgedacht. »Wir sprachen ja vorhin davon, dass Jörg so in seine Arbeit vernarrt ist, ja quasi mit ihr verheiratet ist. Mein Job bei Ehrmann, Eggers und Liebrecht ist dagegen bei weitem nicht so toll und anspruchsvoll schon gar nicht. Man gibt mir fast nur Fälle, die das Nachbarschaftsrecht betreffen. Das ist langweilig. Wie du weißt, wollte ich mich schon während meiner Studienzeit auf Arbeitsrecht spezialisieren. Jetzt, in letzter Zeit, wo ich darauf dränge, meine Nase auch einmal ins Arbeitsrecht stecken zu dürfen, bekam ich zwei, drei Fälle auf den Schreibtisch. Das, finde ich, ist sinnvolle Arbeit! Gerade in der heutigen Zeit, wo die Arbeitnehmerrechte überall mit Füßen getreten werden und die Ausbeutung der Arbeitnehmer zunimmt, ist es vonnöten, dass sich die Betroffenen wehren. Ich möchte ihnen dabei helfen.«
   Ihr Vater umfasste sie kräftiger. »Meine streitbare Tochter entdeckt wieder ihre politischen Ambitionen. Wie wäre es, wenn du dich einer Partei anschließen und für den Senat kandidieren würdest? Das wäre doch ein Betätigungsfeld, auf dem du deine Neigungen ganz und gar austoben könntest.«
   »Nein, Papa, ich bin keine Politikerin und will es auch nicht werden. Politik korrumpiert! Das ist eine unumstößliche Tatsache. Nein, ich will mein Wissen und meine Kraft dafür einsetzen, dass den Ausschreitungen einer verfehlten Sozial- und Unternehmenspolitik Einhalt geboten wird. Sozialkompetenz wird heutzutage, wie selbstverständlich, von jedem Stellenbewerber gefordert, aber wie steht es damit bei den Firmen? Es gibt doch nur noch ganz wenige Unternehmungen, in denen eine eigene Firmenphilosophie wirklich gelebt wird und nicht nur als schöner Spruch in der Eingangshalle an der Wand hängt. Solche Betriebe musst du lange suchen und kannst sie an den Fingern einer Hand abzählen. Nein, ich finde, so geht das nicht weiter - man muss den Mächtigen auf die Finger klopfen – spürbar - und ihnen zeigen, wo der Hammer hängt!« Julia begann sich in Rage zu reden.
   »Hm, und, wie soll das gehen?«
   »Ich werde die Zeit, die ich noch in der Kanzlei angestellt bin, nutzen, um noch möglichst viele Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln. Und dann würde ich gerne irgendwann im nächsten Jahr eine kleine Kanzlei anmieten und selbständig arbeiten.«
   Ihr Vater schwieg eine Weile und überlegte. »Julia, so sehr ich versuche, deinen Feuereifer zu verstehen – das, mit der Selbständigkeit, halte ich für keine gute Idee! Es gibt in Hamburg jede Menge Juristen, die versuchen, sich mit einer kleinen Kanzlei selbständig über Wasser zu halten. Die meisten geben nach zwei, drei Jahren auf, weil sie nicht genügend Mandanten zusammen bekommen. Warum sollte es bei dir anders verlaufen? Selbständigkeit erfordert eine Unmenge an Energie, Kraft, Engagement, Zeit, Kapital. Warum willst du dir so etwas antun? Außerdem..., nein, bitte unterbrich mich jetzt nicht, du verdienst doch ganz gut in der Kanzlei. Du hast geregelte Arbeitszeiten und noch obendrein die soziale Absicherung. Wenn du krank oder schwanger wirst, bist du abgesichert. Das ginge doch mit einer Selbständigkeit gar nicht. Ihr wollt doch auch noch Kinder bekommen, oder?«
   Wie kam ihr Vater denn jetzt auf das Thema?
   »Wir versuchen es ja bereits seit geraumer Zeit, aber es klappt einfach nicht. Ich vermute, dass es an Jörgs mangelnder Zeugungsfähigkeit liegt. Bei mir ist jedenfalls alles in Ordnung. Mein Arzt sagt, es könne eben ein wenig dauern, schließlich sei ich ja eine Spätgebärende und da wäre die Chance, schwanger zu werden, lange nicht mehr so hoch wie mit zwanzig. Ich bin jetzt einunddreißig. Langsam muss ich mich entscheiden, ob Kinder - ja oder nein? Wenn wir dann also keine Kinder mehr bekommen sollten, brauche ich eine Aufgabe, die mich wirklich fordert. Jörg ist, glaube ich, auch nicht wirklich darauf versessen, Vater zu werden.«
   Sie blieben stehen. Ihr Vater

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