Milchmond (German Edition)
wenigen Tage bis dahin, nutzte Tobias, um mit ihm noch dessen aktuelle Fälle durchzusprechen. Ella würde auch Urlaub machen, aber zuhause bleiben. Sie bot ihm an, dass sie im Notfall erreichbar sei und auch bereit wäre, in die Kanzlei zu kommen, falls es dringende, ausführlichere Korrespondenz zu erledigen gab.
Als sich Nob dann am Donnerstagabend von ihm verabschiedete, ihm kräftig auf die Schulter schlug und viel Glück bei seiner Stallwache wünschte, wäre Tobias am liebsten an seiner Stelle gefahren. Ella verließ die Kanzlei einen Tag später. Nun war er ganz allein im Büro. Gut, es war meistens ruhig in den Ferien. Er wünschte Ella einen schönen Urlaub und versprach ihr, dass er nur im wirklichen Notfall auf ihr Angebot zurückkommen würde. Er konnte, im Gegensatz zu Nob, selber ganz gut die Korrespondenz tippen, die unumgänglich war.
Trotz der arbeitsreichen Woche, erwischte sich Tobias immer wieder dabei, wie er an die schöne Unbekannte vom Wochenmarkt dachte. Sie hatte in seinem Kopf einen festen Platz erobert, ähnlich wie es einem mit einem Musikstück passieren konnte, wenn es sich zu einem handfesten Ohrwurm entwickelte, den man nicht wieder loswurde.
Er wollte sie wieder treffen, so viel war ihm schon klar, und er zermarterte sich den Kopf damit, wie ihm das möglich sein würde. Es blieb nur das Naheliegendste: Er musste wieder zum Markt gehen, möglichst zur gleichen Zeit. Er wusste, wie gering die Wahrscheinlichkeit war, sie dort erneut anzutreffen, es blieb jedoch seine einzige Chance.
Diesmal war er schon eine Stunde früher auf dem Markt als beim letzten Mal, bummelte unentschlossen herum und hielt die Augen offen. Würde sie wieder hier sein? Und falls ja, wie sollte er es beginnen? Es entsprach überhaupt nicht seiner Art, eine Frau auf der Straße anzusprechen. Tausendmal hatte er sich die Situation ausgemalt und doch keinen probaten Weg gefunden. Einen Plan hatte er nicht. Falls sie käme, was natürlich sehr, sehr unwahrscheinlich war, würde er improvisieren müssen.
Betont langsam strich er durch die Ständegassen des Marktes, schaute hier, prüfte dort, beobachtete fortwährend mit aufmerksamem Blick die Leute um sich herum. Noch war es relativ ruhig. Die Mehrzahl der Käufer erschien nicht vor zehn Uhr. Er sah, wie am Rand des Marktes ein Lokal seine Pforten öffnete. Die Bedienung verteilte Sitzkissen für die Außenstühle und stellte dann die Salz- und Pfefferstreuer auf die Tische.
Von dort würde er einen guten Blick auf die Marktbesucher haben. Er nahm sich vor, nach der nächsten Marktrunde dort eine Pause einzulegen. Wieder durchstreifte er die mittlerweile vertrauten Gänge, schaute rechts und links nach der unbekannten Brünetten. Vor ihm staute sich der träge Fluss der Besucher und teilte sich vor einem Rollstuhlfahrer.
Als Tobias den Blick wieder hob, glaubte er, sein Herz-schlag setze aus - dort, vor ihm, das könnte sie sein! Er versuchte näher an sie heranzukommen. Jetzt ging er schräg hinter ihr und versuchte, ihr Profil zu erkennen. Nein, sie war es nicht!
Enttäuschung bemächtigte sich seiner. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Nachdem er sich nun seit mehr als zwei Stunden auf dem Markt herumtrieb, entschloss er sich, eine Pause in dem Lokal einzulegen. Er fand einen Sitzplatz mit bestmöglichem Blick auf das Marktgeschehen.
Mal angenommen, er würde sie hier wieder sehen, was, wenn er sie einfach ansprechen würde?
Zu plump!, verwarf er den Gedanken sofort wieder, das konnte ja nichts werden.
Frauen reagierten auf solche Anmache meist zurückweisend. Er wollte schließlich, dass er sie neugierig auf sich machte, aber wie sollte er es anstellen?
Dann kam ihm eine Idee. Ja, so könnte es klappen! Noch bevor die Bedienung kam, stand er wieder auf und eilte zu seinem Wagen. Er hatte noch eine Kasperlehandpuppe im Auto, die brauchte er für seinen Plan. Als er die Puppe geholt hatte, fand er seinen Platz an dem Tisch noch unbesetzt. Nun hatte er einen Moment Zeit, um einen Kaffee zu trinken und seinen Plan vorzubereiten...
Kaum eine halbe Stunde später drehte er wieder seine Runden über den Markt. Der Käuferstrom war inzwischen beträchtlich angewachsen; überall drängte man sich vor den Ständen, und das Durchkommen wurde schwieriger. Links von ihm hörte er die laute Stimme einer Verkäuferin: »Darf es noch etwas sein, meine Dame?«
Unwillkürlich schaute er hin - dort stand
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