Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Milchrahmstrudel

Milchrahmstrudel

Titel: Milchrahmstrudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler Jutta
Vom Netzwerk:
Vorsichtig wandte Fanni den Kopf in die Richtung, aus der das Atemgeräusch kam. Im nächsten Augenblick traf sie ein Luftzug, der mit dem Gestank nach abgestandenem Bier und saurem Wein beladen war.
    Stucks Onkel! Sagte nicht Hans, dass der sich nachts herumtreibt? Dass er Frau Weber erschreckt hat?
    Fanni richtete sich auf.
    Denk an den Knüppel!
    Der sauste soeben zwischen zwei Fichtenstämmen hindurch auf ihre linke Schulter zu.
    Der Kerl will dich nicht nur erschrecken, der hat es auf dich abgesehen! Womöglich treibt er sich deshalb seit Tagen in der Siedlung herum, weil er dir auflauern wollte!
    Fanni sprintete bereits auf das Gartenhäuschen zu, das wie ein Schemen vor ihr aufragte.
    Hinter ihr barsten Zweige. Ihr Verfolger war offenbar dabei, sich durch die Fichtenhecke zu zwängen.
    Fanni hatte die Strecke zur schützenden Deckung fast hinter sich gebracht, als ein Stein sie seitlich in den Rücken traf.
    Sie strauchelte, fing sich und humpelte weiter, bis sie sich mit beiden Händen an den rauen Brettern des Gartenhäuschens abstützen konnte.
    Mach bloß nicht schlapp! Er kommt näher!
    Fanni hielt sich die Seite und schlich zur Rückseite des Häuschens. Sie würde ab hier gut zwanzig Meter freie Fläche zu überwinden haben, die von den hellen Fenstern des Wohnhauses schummrig beleuchtet wurden, bevor sie wieder in Schatten eintauchen konnte. Für weitere Steinwürfe würde sie also ein gut sichtbares Ziel abgeben.
    Du musst im Zickzack laufen!
    So, wie es in ihrer rechten Flanke stach, konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen zu laufen.
    Fanni hatte sich bis zum Ende der Rückwand vorgearbeitet und schaute auf das Terrain, das sie queren musste. Ungefähr in der Mitte bewegte sich etwas im Wind, das wie ein Grüppchen kleiner Speere aussah.
    Schilf! Das muss der Teich sein!
    Am Gartenhäuschen entlang kamen die Schritte näher.
    Fanni hatte keine Wahl.
    Sie lief los, so schnell sie es vermochte, kam unbeschadet zu dem Schilfbewuchs und ging zwischen den Stängeln in die Knie. Sie roch das Wasser, bevor ihre tastenden Hände die Nässe in Ufernähe fühlten. Schier platt an den Boden gedrückt umrundete sie den Teich, bis sie ungefähr gegenüber jener Stelle war, an der sie angekommen war. Dann stand sie auf und hastete auf das Haus zu. Ein Stück hinter sich hörte sie die gefürchteten Schritte. Aber kurz darauf hörte sie, was sie zu hören gehofft hatte: ein Platschen, ein Gurgeln, einen groben Fluch.
    Sie beeilte sich, die Zufahrt zu erreichen, lief sie hinunter, hielt auf das Praml’sche Grundstück zu und stand kurz darauf vor ihrer eigenen Haustür.
    Zitternd schloss sie auf, schlüpfte hinein und drückte die Tür sofort wieder hinter sich zu. Drinnen warf sie sich auf den Stuhl, den Hans Rot zu benutzen pflegte, um sich die Schnürsenkel zu binden, beugte sich vor und ließ den Kopf zwischen die Knie sinken. Ihre Hände umklammerten die Stuhlbeine, ihr Herz raste, ihre Lungenflügel pumpten.
     
    Fanni war noch nicht wieder zu Atem gekommen, als Hans zu ihr trat. »Du bist ja ganz abgekämpft.«
    Er hat nicht im Traum daran geglaubt, dass du wirklich joggen gehst.
    Sie riss sich zusammen, schlüpfte aus den Turnschuhen, stand auf und machte ein paar tapsende Schritte ins Wohnzimmer hinein.
    »Du hast dich überanstrengt«, sagte ihr Mann mit vorwurfsvoller Stimme, in der jedoch noch etwas anderes mitschwang, etwas, das nach schlechtem Gewissen klang.
    Unglaublich, wirklich unglaublich! Jetzt hat er ein schlechtes Gewissen, weil er denkt, er hätte dir Unrecht getan. So fertig, wie du bist, musst du ja wohl ganz schön weit gelaufen sein! Unfassbar, der gute Mann wird nach Strich und Faden hintergangen, und am Ende ist er es, den das schlechte Gewissen plagt, weil der Schein gegen die Wirklichkeit spricht!
    Fanni durchquerte das Wohnzimmer und ging in den Wintergarten hinaus, wo auf dem Tisch noch immer die Ausgabe der PNP lag. Es war sogar noch die gleiche Seite aufgeschlagen.
    Er hat eine gute Stunde lang vor sich hin gebrütet!
    Was so gar nicht seine Art ist, dachte Fanni.
    »Es ist doch schon viel zu finster geworden fürs Joggen«, sagte Hans Rot, der ihr gefolgt war.
    Fanni lehnte sich an den Pfeiler, durch den das Dach des Wintergartens gestützt wurde, und blickte nach draußen. Am westlichen Horizont leuchtete noch ein ganz schmaler heller Streifen.
    Warum sagst du ihm nicht, dass du überfallen worden bist? Dann könntest du auf der Stelle in seiner Fürsorge baden?
    Das möchte

Weitere Kostenlose Bücher