Milchrahmstrudel
spitzes Messer aus der Besteckschublade und stach eine Kartoffel an.
»Durch«, murmelte sie, nahm den Topf und kippte seinen Inhalt ins Spülbecken. Dampf stieg auf.
Fanni sah auf die Wanduhr, die über dem Bord mit Hans Rots Bierkrügen hing.
»Kurz vor zehn«, sagte sie zu den Kartoffeln. »Ihr habt eineinhalb Stunden Zeit, abzukühlen, bevor ich euch schälen muss. Inzwischen fahre ich auf einen Sprung nach Deggendorf, um nachzusehen, wie es Tante Luise geht.«
Sie schaltete die Kochplatte unter dem Krauttopf ab und verließ das Haus.
Gib doch zu, dass es dir gar nicht um Luise geht! Die könntest du ebenso gut auch anrufen! Schnüffeln willst du – Hanno hinterher und deinem neuen Hauptverdächtigen, dem großen Unbekannten!
Fanni suchte ihr Gesicht im Rückspiegel und streckte ihm die Zunge heraus.
Du bist eigennützig, Fanni Rot, störrisch, skrupellos und kindisch!
Fanni streckte die Zunge so weit heraus, wie es ihr irgend möglich war. Da musste sie husten.
Fanni kam nicht dazu, Tante Luise nach ihrem Befinden zu fragen, denn die ließ sie erst gar nicht zu Wort kommen. Ihr Befinden war offenbar erstklassig.
»Die Kriminalpolizei war heute Morgen schon im Haus«, rief sie, kaum dass Fanni die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte. »Sie haben Hanno verhört und etliche Schwestern, aber Hanno am längsten. Den Hausmeister wollten sie eigentlich auch vernehmen, aber der war unterwegs zum Baumarkt. Die Bullen sind erst vor einer halben Stunde abgezogen – ohne Hanno in Handschellen.«
Luise schöpfte Atem. »Aber du solltest mal sehen, wie übel er gelaunt ist. Die Schwestern schleichen auf Zehenspitzen herum. Wenn er dahinterkommt, dass sie es wegen des ganzen Durcheinanders noch nicht geschafft haben, die Frühstückstabletts aus den Zimmern zu holen, gibt’s ein Donnerwetter, das sich gewaschen hat.«
Auf Luises Tisch standen eine leere Kaffeetasse und ein leerer Teller auf einem beigen Tablett aus Kunststoff. Neben dem Teller lag ein ungeöffnetes Portionsschälchen Erdbeermarmelade.
Tante Luise schnippte mit dem Finger dagegen, sodass es über den Rand des Tabletts hüpfte. »Ich mag Johannisbeermarmelade, Aprikose, Brombeere, Kirsch – besonders Sauerkirsch –, Pflaume und Rhabarber. Nur Erdbeere mag ich nicht. Roland würde das wissen. Er hat gewusst, dass ich Erdbeere hasse.«
Sie nahm das Portionsschälchen und warf es zurück aufs Tablett. »Mit diesem abgepackten Zeug hab ich es sowieso nicht besonders. Aber in einer Einrichtung wie der unseren geht es nicht anders, hat man mir erklärt.« Sie zog eine Schnute. »Eine gewisse Fanni Rot hat mir ja zwei Gläser ihrer vorzüglichen Mirabellenmarmelade versprochen, aber die sind leider bis heute nicht bei mir eingetroffen.«
Fanni schlug sich beide Hände vor den Mund. »Großer Gott, der Korb mit den Marmeladegläsern, den Nusskringeln und den Saftflaschen steht seit einer Woche bei mir im Kofferraum.« Sie lief zur Tür. »Ich hole ihn auf der Stelle.«
Fanni musste einen Umweg machen, weil der Flur vor Luises Zimmer vom Geschirrwagen verstellt war.
Sie eilte einen Quergang entlang, passierte das Schwesternzimmer, näherte sich Hannos Büro. Der Klang seiner Stimme ließ sie den Schritt abrupt verhalten. Was er sagte, drang deutlich aus der nur angelehnten Tür.
Fanni drückte sich an die Wand daneben.
»Die Polizei beschuldigt mich, einen unserer Pfleger umgebracht zu haben. – Ja, stell dir vor. – Weshalb? Angeblich um Betrügereien zu vertuschen, die ich begangen haben soll«, hörte sie Erwin Hanno ärgerlich rufen. »Du kannst dir ja wohl denken, warum ausgerechnet ich als Sündenbock herhalten muss, wenn es um unrechtmäßige Bereicherung geht. Es ist immer das gleiche Lied: Erwin Hanno gibt eindeutig mehr Geld aus, als er verdient. – Natürlich hab ich denen gesagt, woher das Geld kommt. Das ist ja schließlich kein Geheimnis. – Ja, kann gut sein, dass sie bei dir in der Firma auftauchen und wissen wollen, ob du wirklich so gut verdienst und ob dein Vater wirklich so großzügig ist. – Nein, eigentlich geht das niemanden was an. Aber es hilft, den Verdacht gegen mich auszuräumen. – Fang nicht wieder davon an. Du weißt, ich mag meine Arbeit in der Katherinenresidenz. Einer muss sich ja darum kümmern, dass der Betrieb läuft. – Nein, ich will auch jetzt nicht kündigen und in der Firma deines Vaters den Laufburschen spielen, und hier wegmobben lasse ich mich erst recht nicht.«
Vom anderen Ende des
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