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Milchrahmstrudel

Milchrahmstrudel

Titel: Milchrahmstrudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler Jutta
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gerichtlich genehmigt werden. Außerdem wird wohl eine genaue Buchführung verlangt.«
    Fanni schwieg eine Zeit lang, dann sagte sie rebellisch: »Gestatten wir uns trotzdem mal die gewagte Annahme, in den höchst ehrbaren Stand der Berufsbetreuer hätte sich ein schwarzes Schaf eingeschlichen. Weil es in jener Herde noch nie eines gab, glaubt man an Sinnestäuschung und lässt es als weiß durchgehen. Damit hat man ihm den Hauptgewinn zugeschanzt, denn es kann unter dem Schirm der Ehrbarkeit wandeln und unbehelligt sein verbrecherisches Tagwerk ausüben.«
    Nur zu, Fanni! Wer könnte denn noch als der große Unbekannte hinter Hanno in Frage kommen? Der Landrat? Unser bayrischer Finanzminister? Die Bundeskanzlerin? Anstatt dich in haltlosen Anschuldigungen zu versteigen, solltest du lieber den Heimweg antreten.
    Fanni wollte nach ihrem Weinglas greifen, um einen Schluck zu trinken, da merkte sie, dass es kaum noch sichtbar war. »Sprudel, es ist schon fast dunkel. Hans wird mir nicht abnehmen, dass ich so lange joggen war.« Sie sprang auf.
    Obwohl Sprudels Miene offenbarte, dass er sie lieber zurückgehalten hätte, stand er ebenfalls auf. »Mit dem Wagen sind wir in zwei Minuten am Erlenweiler Ring.«
     
    Fanni bat Sprudel, sie nur bis zur Abzweigung nach Erlenweiler zu fahren.
    Nach weniger als zwei Minuten stieg sie unter der Fichtenhecke beim Haus Nummer 1 aus und blieb stehen, um Sprudel zum Abschied zu winken.
    Als sie sich gerade in Trab setzen wollte, hörte sie es hinter sich rascheln.
    Fanni dachte an Eichhörnchen, die vielleicht in der Hecke ihre Wohnung hatten, an Webers Katze, die möglicherweise auf nächtlichem Raubzug war. Sie dachte an Mäuse und Siebenschläfer, bis sie merkte, dass das Rascheln näher kam und sich anhörte wie schlurfende Schritte.
    Verdammt, renn weg! Renn nach Hause! Wer weiß, was für ein Strolch sich hier herumtreibt!
    Fanni stand im Schatten der Fichten und rührte sich nicht.
    Die Schritte kamen näher, verhielten, schlurften zögernd weiter.
    Fanni biss die Zähne zusammen, um nicht zu keuchen.
    Zehn oder fünfzehn Jahre früher hätte man davon ausgehen können, dass Jonas Böckl herumspukt, um zu testen, wer sich im Dunkeln Angst einjagen lässt! Aber Jonas ist kein Lausbub mehr! Und du tust verdammt noch mal gut daran, endlich die Beine in die Hand zu nehmen!
    Fanni machte eine abrupte Bewegung nach links, und das rettete sie vor dem Knüppel, der auf sie niedersauste.
    Hau ab von hier!
    In welche Richtung denn?, dachte Fanni panisch. Sie konnte den Angreifer nicht sehen. Was, wenn sie ihm direkt in die Arme lief?
    Sie ging in die Knie und kroch zwischen die Fichtenstämme, kroch weiter und weiter bis ans Ende der Hecke. Immer wenn sie anhielt, hörte sie die schlurfenden Schritte. Sie schlappten parallel zu ihr die Straße entlang.
    Er ist außerhalb des Grundstücks, draußen auf der Straße! Du musst versuchen, quer durch den Garten in Richtung Praml zu entkommen!
    Fanni hatte das Grundstück Erlenweiler Ring 1, das von der Hauptstraße aus durch die Fichtenhecke vor neugierigen Blicken geschützt war, noch nie betreten. Es gehörte einem älteren Ehepaar, das ein von ihren Nachbarn abgeschottetes Leben führte, und lag in dem rechten Winkel, den der Erlenweiler Ring mit der Hauptstraße bildete, grenzte mit der Nordseite an den hintersten Ausläufer der Klein-Wiese und mit der Westseite an eine Stichstraße, die die Zufahrten von Rasch und Praml mit dem Erlenweiler Ring verband.
    Es gab nur eine einzige Stelle, von der aus man einen Blick in das Anwesen werfen konnte, und die befand sich – von der Hauptstraße aus gesehen – einige Meter hinter der Abzweigung des Erlenweiler Rings, dort wo die Fichtenhecke endete und die Rhododendronbüsche begannen.
    Von dieser Stelle aus hatte man jedoch eine schöne Sicht auf den weitläufigen Garten, den kleinen Teich, die Blumenrabatten und das Gartenhäuschen, und Fanni fuhr selten vorbei, ohne einen Blick hinüberzuwerfen. Am westlichen Ende des Grundbesitzes lag das Wohnhaus, zu dem die Zufahrt führte. Über diese Zufahrt war der Praml’sche Garten erreichbar, und von dort konnte Fanni quer über den Rasen, an den Beerenstauden vorbei und übers Grenzmäuerchen ungesehen nach Hause gelangen.
    Also dann los!
    Die Schritte hatten angehalten.
    Fanni lauschte. Eine leichte Brise war aufgekommen, ließ Büsche und Bäume leise miteinander flüstern. Und über dieses Flüstern legte sich rhythmisch ein schweres Atemholen.

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