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Milchrahmstrudel

Milchrahmstrudel

Titel: Milchrahmstrudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler Jutta
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rief sie, denn sie hatte Informationen über den Neuzugang für ihn.
    Weil Benat sie nicht zu hören schien, lief Schwester Inge eilig auf seinen Wagen zu.
    Legte er nicht allergrößten Wert darauf, bestens und schnellstens über die Insassen der Katherinenresidenz informiert zu werden? Hatte er nicht wieder und wieder zu ihr gesagt: »Einblick ist alles. Wir können unseren geschätzten Senioren das Leben nur dann so angenehm wie möglich machen, wenn wir genauestens über jeden Einzelnen von ihnen im Bilde sind.«
    Schwester Inge verstand Benats Sichtweise gut und nutzte ihr Talent, Hinfällige und weniger Hinfällige zum Erzählen zu bringen, nachhaltig. Zumal sich Benat für ihre Mühe erkenntlich zeigte. Zweimal pro Jahr pflegte er sie mit Gratiswochenenden im Dilly’s zu belohnen – jeweils im November und im Juni. Er hatte es noch nie vergessen. Aber heute war schon der letzte Junitag, und der Anwalt hatte ihr den halbjährlichen Gutschein noch nicht gegeben.
    Er wird sich daran erinnern, sagte sich Schwester Inge, wenn ich ihm über den Neuzugang berichte.
    »Herr Dr. Benat!« Er saß bereits hinterm Steuer, wollte gerade die Wagentür schließen. Als sie sich dazwischendrängte, hob er den Kopf und sah sie fast feindselig an.
    »Herr Dr. Benat …«, Inge war etwas außer Atem, »… der Bericht über den Neuzugang.«
    Benat wirkte einen Moment lang verwirrt, dann entspannte er sich, brachte sogar ein Lächeln zustande und sagte, wobei er mit dem Zeigefinger auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr klopfte: »Ich bin längst weg, Schwester Inge, bin längst bei Gericht. Wir beide unterhalten uns morgen.« Damit zog er die Tür zu, und Schwester Inge blieb nichts anderes übrig, als zur Seite zu treten, um nicht eingeklemmt zu werden.
     
    Während Fanni aus dem Spiel war, begriff Verena, wohin sie geraten war. Schon bei dem Vorstellungsgespräch vergangene Woche war ihr die ganze Sache seltsam vorgekommen. Sie hatte damit gerechnet, Schulwissen zum Besten geben zu müssen, hatte sich sogar darauf vorbereitet und zwei freie Nachmittage lang in ihrem alten Heimatkundebuch gelesen. Stattdessen hatte man von ihr verlangt, die Bluse auszuziehen und auf- und abzugehen. Verena war sich vorgekommen wie eines von den Kälbern, die ihr Vater dem Viehhändler vorzuführen pflegte.
    Vor wenigen Minuten hatte ihr Natascha ein Licht aufgesteckt. Natascha kam aus Tschechien. Sie sprach nur gebrochen Deutsch, doch was sie Verena zu erklären hatte, bedurfte keines großen Wortschatzes.
    Verena zwängte sich in die Korsage, die Natascha »Arbeitskleidung« genannt hatte, und dachte darüber nach, weshalb Dr. Benat, ihr väterlicher Freund, dem sie mehr vertraut hatte als irgendjemandem sonst, sie an einen Puff vermittelt hatte.
    Natascha lachte laut auf, als ihr Verena das Ergebnis ihrer Überlegungen mitteilte. »Do hot er’s ober net guat gmoant mit mir«, sagte sie und übersetzte das, als sie Nataschas verständnislose Miene sah, in: »Nix gutes Mann, wo mich hat hergeschickt.«
    »Nein«, versicherte ihr Natascha.
    »Wenn i ober net dobleim mog«, wagte Verena zu meutern und beeilte sich, Natascha zu vermitteln: »Ich nix bleiben.«
    Natascha sah sie mitleidig an. »Wohin wollen du ohne Pass, ohne Geld, ohne Hilfe in fremde Stadt?«
    Verena trug den blutroten Lippenstift auf, den ihr Natascha reichte.
    Hilfe! Es gab jemanden, der ihr vor Zeiten Hilfe angeboten hatte. Jemanden, der sie vor Benat gewarnt, der sie über ihn ausgefragt hatte. Der aber dann die letzte Verabredung nicht eingehalten und sich nie mehr bei ihr gemeldet hatte. Der auf keinen ihrer Anrufe reagiert hatte. Aber hatte er nicht gesagt, wenn der »Skandal« erledigt sei, könnten sie beide …
    Sie fragte Natascha, ob es ein Skandal sei, ein Mädchen ohne seinen Willen an einen Puff zu vermitteln.
    »Skandal.« Natascha dachte eine Weile über das Wort nach, dann nickte sie.
    Verena trug indessen Kajal auf.
    Als Natascha aus dem Zimmer gerufen wurde, entschied Verena, einen weiteren Versuch bei Roland Becker zu machen. Schließlich hatte er versprochen …
    Sie angelte ihr Handy aus einer kleinen Tasche am Hosenbein ihrer Jeans, die wie ein Besatz wirkte und die sie extra so aufgenäht hatte, weil sie es nicht mochte, wenn das Handy die Gesäßtasche ausbeulte, und wählte Rolands Nummer, nicht gewahr der Tatsache, dass man ihr das Mobiltelefon längst weggenommen hätte, wäre es nicht derart verborgen gewesen.
     
    Während Fanni in Kälte und

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