Milchrahmstrudel
wahr, dass ein Laken um ihren Körper gehüllt wurde.
Der Geruch, von dem sie nun wusste, dass er weder von künstlichen noch von echten Lilien stammte, umströmte sie.
Es muss sich um ein Duftwasser handeln, ging es ihr verworren durch den Kopf, in dem es pochte und hämmerte. Ein Parfüm, mit dem der Hausmeister Roland besprüht hat, bevor er ihn im Kühlkatafalk verschwinden ließ. Und dieses Parfüm hat sich mit dem Verwesungsgeruch der Leichen vermischt – gekühlt oder nicht …
»Sie haben es sich selbst zuzuschreiben«, hörte sie plötzlich Benats herrische Stimme, »dass Sie in ein, zwei Stunden erstickt und erfroren sein werden.«
Fanni machte »Grmpf« und bäumte sich auf, dabei löste sich das Klebeband von ihren Lippen – halbwegs jedenfalls. Links verschloss es noch ein knappes Drittel ihres Munds. Das lose Stück des Bands blieb einen Moment lang senkrecht stehen und legte sich dann über Fannis Nasenspitze.
Vertu jetzt deine Chance nicht!
»Roland Beckers Notizen«, stieß sie aus, »beweisen, dass in der Katherinenresidenz Betrügereien großen Stils im Gange waren. Handel mit Medikamenten, mit Luxusartikeln, mit Dienstleistungen bis hin zur vorgeblichen Instandhaltung von Frau Nagels Anwesen.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich, Frau Rot«, sagte Benat kalt und beugte sich vor, offenbar wollte er das Band wieder festkleben. Die Stimme des Hausmeisters ließ ihn innehalten.
»Herr Benat, hä. Die muss jetzt weg da, hä.«
»Ja, das muss sie, Sepp!«
Sag was, lenk ihn ab von dem, was er vorhat!
»Der Stand der Berufsbetreuer ist ehrbar, seriös, über jeden Zweifel erhaben«, wiederholte Fanni hastig, was Sprudel gestern gesagt hatte. »Wie praktisch für ein schwarzes Schaf, das sich dort eingeschlichen hat. Es kann von dieser Reputation zehren. Und falls es das schwarze Schaf auch noch versteht, sich durch besondere Verdienste hervorzutun und sich durch Schmeicheleien und Liebdienereien überall beliebt zu machen, bleibt es nicht nur unbehelligt, sondern erreicht einen Status, der es schier unantastbar macht.«
Die Brillengläser waren wieder da. »Sie, Fanni Rot, sind genauso ein herumschnüffelndes, alle ausspionierendes, in jeder Grube wühlendes Schwein wie Roland Becker. Und deshalb dürfen Sie jetzt seinen Platz im Kühlkatafalk einnehmen, bis der nächste Heimbewohner stirbt, mit dem Sie dann unter die Erde wandern werden.«
Bevor Benats Hand das lose Stück Klebeband ergreifen konnte, hechelte Fanni: »Zuvor aber werden Sie ins Gefängnis wandern, wegen Mordes an Roland Becker.«
Benats Hand verharrte in der Luft. »Becker wird verschwunden bleiben, und man wird mir nie etwas nachweisen können.«
Wenn du ihn nicht vom Gegenteil überzeugen kannst, bist du jetzt fällig!
Fanni dachte fieberhaft nach. »Man wird Ihnen nachweisen können, dass Sie den Brief und die Karte, die Roland zugeschrieben werden, gefälscht und in München aufgegeben haben.«
Über einem der Brillengläser zog sich eine Augenbraue hoch.
»Sie waren doch am Tag nach dem Mord in München«, rief Fanni. »Schwester Monika hat erwähnt, dass Sie einen Termin beim Oberlandesgericht hatten, und Luise sah Sie mittags die Allee heraufeilen. Sie mussten ja rechtzeitig da sein, zu der Konferenz, die wegen Rolands ›Kündigung‹ anberaumt worden war.«
»Meine liebe Frau Rot«, Benats Stimme klang spöttisch, »da stimmt wohl die zeitliche Abfolge nicht ganz. Brief und Karte waren ja offensichtlich vor mir hier. Ich hätte demnach schon am Tag des Mordes nach München fahren müssen, um die Post aufzugeben; hätte spätestens gegen drei hier aufbrechen müssen …«
Fanni hörte nicht mehr hin. Ja, natürlich, die Möglichkeit, dass der Mörder persönlich die Post aufgab, hatte sie ja selbst schon verworfen, als sie Hanno noch für den Täter hielt.
Die Hand näherte sich wieder.
Schnell sagte Fanni: »Sie haben Ihren Komplizen, den Hausmeister nach München geschickt. Sie mit Ihrer geheuchelten Menschenfreundlichkeit waren es ja wohl, der dem Alkoholiker die Stelle in der Katherinenresidenz besorgt hat, wodurch Sie ihn am Zügel hatten.«
Aus einer Ecke des Aussegnungsraumes kam ein halb fragendes, halb empörtes: »Hä.«
Benat lachte. »Frau Rot, Sie spielen nur ein Ratespiel, und das nicht einmal gut. Am Tag von Roland Beckers Ableben haben Sie unseren guten Sepp doch selbst hier im Aussegnungsraum angetroffen – so gegen sechzehn Uhr dreißig, wenn ich mich nicht irre. Und am Tag vor
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