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Milchschaum

Milchschaum

Titel: Milchschaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mehler
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hätte gerne nachgehakt, aber es wurde höchste Zeit für Leni, nach Nürnberg zurückzufahren. Sie hatte Vera versprochen, nicht später als vier Uhr da zu sein. Klein-Rohrheim lag noch fast zwei Autostunden von Nürnberg entfernt, und Vera wollte nicht zu spät nach Hause kommen, weil Max und Minna am nächsten Morgen zur Schule mussten.
    Fanni packte die Reisetasche von Max in Leos altem Kinderzimmer, während Leni in ihrem Zimmer rumorte.
    Max stürmte zu Fanni ins Zimmer. »Schau, Oma, Ivo und ich haben eine Kuh gebastelt, und die fährt mit mir nach Hause.«
    Wie ein Banner trug er ein Gebilde aus Stroh vor sich her.
    »Max«, lachte Leni, die herübergekommen war, »deine Kuh sieht aus wie ein Nilpferd.«
    »Bäh«, machte Max, »das ist Resi, wie sie trächtig war, hat der Bauer gesagt. Ich bring sie ins Auto und gurte sie an.«
    Leg ihr ein Handtuch unter, wollte ihm Fanni nachrufen. Hatte Leni etwa gestern den halben Nachmittag lang die Polster in ihrem Wagen abgesaugt, nur um sie heute mit Strohhalmen gespickt wiederzusehen?
    Aber Max polterte bereits aus der Haustür.
    Leni war neben Fanni stehen geblieben. »Apropos Bauer. Klein hat die Wahrheit gesagt. An dem Tag, an dem Pfarrer Winzig erschlagen wurde, bekam er seine Zähne gezogen.«
    »Hast du mit dem Zahnarzt aus Altfleck gesprochen?«, fragte Fanni verwirrt.
    »Nein«, entgegnete Leni, »mit Jonas.«
    »Zieht der neuerdings Zähne?«
    Leni schüttelte lachend den Kopf. »Jonas und sein Vater veranstalten oft Jagdausflüge nach Tschechien«, erzählte sie dann. »Der Zahnarzt aus Altfleck und unser Dr. Wieser aus Birkdorf sind begeisterte Wildschweinjäger. Am letzten Wochenende im Februar war Wildschweinjagd angesagt. Aufbruch Freitag, den 22., morgens um sechs. Da blieb den Herrn Doktoren nichts anderes übrig, als die Freitagspatienten auf ihren freien Mittwochnachmittag vorzuverlegen.«
    Fanni runzelte die Stirn. »Wie bist du bloß darauf gekommen, Jonas danach zu fragen?«
    »Mama«, rief Leni belustigt, »darauf bin ich natürlich nicht gekommen. Wie sollte ich denn? Aber in einer Jägerfamilie – Tauffeier oder nicht – dreht sich das Gespräch früher oder später um die Jagd, um Jagdtrophäen, um Jagdausflüge. Als Jonas den Zahnarzt erwähnt hat, bin ich hellhörig geworden.«
    »Du schlägst Miss Marple um Längen«, sagte Fanni halb spöttisch, halb bewundernd.
    »Ich weiß«, antwortete Leni trocken.
    Dann marschierte sie in ihr Zimmer zurück, und Fanni hörte, wie sie den Reißverschluss ihrer Reisetasche zuzog.
    Fanni griff sich das Gepäck von Max und ging die Treppe hinunter. Leni folgte ihr.
    »Mama«, hörte sie ihre Tochter zu ihrem Rücken sagen, »ich hab da heute jemanden kennengelernt, und wir haben uns für kommenden Samstag verabredet. Das bedeutet, ich werde das nächste Wochenende wieder bei euch in Erlenweiler verbringen.«
    Fanni drehte sich lächelnd um. »Ich freu mich immer, wenn du kommst. Hat der Jemand auch einen Namen?«
    Leni überholte ihre Mutter auf der Treppe, lief hinunter und rief zurück: »Er ist nicht von hier. Sein Name würde dir nichts sagen.«

11
    Als Fanni am Montagnachmittag in ihre Hütte trat, knisterte im Herd bereits ein Feuer. Es war wieder kälter geworden. Die Frühlingssonne hatte sich hinter einem Geschwader schwarzer Wolken versteckt, das ein frischer Ostwind über die Baumwipfel blies.
    Sprudel hatte am Vormittag angerufen und gesagt, er wolle für Kaffee und Kuchen sorgen. Fanni solle keine Zeit damit vertun, sie solle nur kommen – bald.
    Er hatte Wasser aufgesetzt und die silberne Kanne von Fannis Großmutter mit einem Kaffeefilter aus Keramik, den er nur in Erna Sallers Hinterlassenschaften gefunden haben konnte, samt Filterpapier bestückt. Auf dem Tischchen zwischen den Sesseln stand eine Kristallschale, die ebenfalls von Erna Saller stammen musste, mit winzigen Mohnschnecken darin, die es ausschließlich bei Bäcker Veit in Buchenweiler gab.
    Sprudel nahm Fanni so vorsichtig in die Arme, als wäre sie eine Libelle. Noch im selben Augenblick ließ er sie wieder los, als wolle er ihr um nichts in der Welt Fesseln anlegen, sei es auch bloß in Gestalt sie herzlich umfassender Arme.
    Stattdessen rückte er ihr den Sessel zurecht.
    Bevor er zum Herd ging, um einen Schöpflöffel voll heißes Wasser auf das Kaffeepulver zu gießen, nahm er ein offenes Buch vom Tisch, klappte es zu und legte es auf die Fensterbank. Fanni las den Titel: »Sie sind ja eine Fee, Madame«.
    Sie

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