Milchschaum
an.
»Gemästet haben ihn alle«, erwiderte Sprudel. »Jeder wusste, dass der Pfarrer mit Schleckereien herumzukriegen war. Rosie Hübler hat immer Apfeltaschen gebacken, wenn sie ihm Zugeständnisse abschmeicheln wollte, sagt Togo-Franz – Apfeltaschen mit Rosinen und Hagelzucker.«
Fanni nahm sich eine Mohnschnecke und biss hinein. Die Kristallschale war schon fast leer.
Eine einzige von Olgas böhmischen Spezialitäten hätte vermutlich gereicht, dachte sie, und der Pfarrer wäre zu Kreuze gekrochen. Für zwei Liwanzen hätte er Ivo im Wassergrand auf dem Klein-Hof getauft. Aber Olga wollte keinen Kuhhandel, sie wollte faire Behandlung. Und der alte Klein wäre erst recht nicht dafür gewesen, dem Pfarrer schönzutun. Bauer Klein hielt nichts von Raffinesse, er setzte lieber auf ungeschminkte Worte.
»Gesellig«, sagte Sprudel und schrieb das Wort auf sein Blatt.
»Gesellig?«
»Laut Togo-Franz hat Pfarrer Winzig seine Pfarrkinder gerne zu sich eingeladen. Samstags nach der Abendmesse standen die Damen vom Frauenbund auf seiner Gästeliste. Er hat ihnen oft selbst gekochte Gulaschsuppe serviert.« Sprudel schmunzelte. »Togo-Franz schien mir ein wenig aufgebracht darüber, dass Winzig bei der Abendmesse jede einzelne der Damen noch extra ermuntert hat zu kommen – während der Kommunion, wenn er die Hostien verteilte.«
Fanni prustete.
»Togo-Franz hat ihn dafür einmal kritisiert«, fuhr Sprudel fort. »Doch damit ist er ziemlich ins Fettnäpfchen getreten. Obwohl auch Rosie Hübler schon mehrmals geäußert hatte, die heilige Kommunion sei ein Sakrament und keine Nachrichtenbörse, hat Pfarrer Winzig sauer reagiert und bald darauf begonnen, Togo-Franz dort und da anzuschwärzen.«
»Selbstgerecht, leicht eingeschnappt und nachtragend«, diktierte Fanni.
Dann war es lange Zeit still im Raum. Ab und zu prasselte das Feuer im Herd auf, ab und zu klirrte eine Kaffeetasse an den Rand des Untertellers.
»Wie war er denn nun?«, fragte Sprudel.
»Er war ein ganz normaler Mensch«, antwortete Fanni, »mit Fehlern und Vorzügen. Elsie Kraft hat ihn vergöttert, Bauer Klein hat ihn zum Teufel gewünscht. Verdient hatte er wohl beides nicht.«
»Er war ein Mensch mit ganz normalen Fehlern und Vorzügen«, murmelte Sprudel, »mit Eigenschaften, die uns schwerlich ein Tatmotiv liefern können.«
»Selbst Heilige wurden hingemordet, wenn es Motive dafür gab«, erwiderte Fanni und begann aufzuzählen: »Eifersucht, Groll, Enttäuschung, Rache, pure Bosheit …«
Sprudel winkte ab. »Mit solchen Motiven kommen wir nicht weiter. Pure Bosheit! Um aus diesem Grund zu morden, müsste der Täter Pfarrer Winzig nicht einmal gekannt haben.«
Fanni nickte vehement. »Wir dürfen ja auch keinesfalls außer Acht lassen, dass ein Unbekannter die Tat begangen haben könnte. Aber bevor wir anfangen, einem Phantom nachzujagen, ist es wohl besser, die Personen unter die Lupe zu nehmen, die wir an der Hand haben.«
Sprudel zückte den Stift.
»Da hätten wir als Erstes Togo-Franz«, begann Fanni. »Unterstellen wir ihm Groll als Motiv. Zorn auf einen Vorgesetzten, von dem er sich ungerecht behandelt fühlte. Hat er dir denn erzählt, was ihn nach der Beerdigung des Bürgermeisters auf dem Friedhof umgetrieben hat?«
»Ja«, erwiderte Sprudel. »Während der Bürgermeister eingesegnet wurde, war Togo-Franz im Leichenschauhaus, sagt er. An diesem Tag waren in der Gemeinde Birkdorf gleich drei frisch Verstorbene zu beklagen. Unglücklicherweise kann das Leichenschauhaus nur zwei aufnehmen. Togo-Franz hat – im Auftrag von Pfarrer Winzig – zusammen mit dem örtlichen Bestattungsunternehmer nach einer Möglichkeit gesucht, kurzzeitig drei Särge unterzubringen. Allerdings mussten sie feststellen, dass der einzige Ausweg darin bestand, zwei der Särge übereinanderzustapeln, und das fanden beide pietätlos. Der Bestatter machte schließlich den Vorschlag, den Toten, der am nächsten Morgen begraben werden sollte, für eine Nacht in der Friedhofskapelle unterzubringen. Togo-Franz hielt das für eine gute Idee.«
Sprudel nickte zweimal vor sich hin, dann sprach er weiter: »Weil sich dieser Tote sowieso schon im Leichenwagen des Bestatters befand, verließ der Bestatter den Friedhof durch den Nebenausgang beim Leichenhaus und fuhr den Wagen zum Vordereingang, wo die Kapelle steht. Togo-Franz eilte inzwischen quer über den Friedhof.«
Sprudel sah Fanni bedeutungsvoll an. »Er sagt, er sei so schnell über den Friedhof
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