Milchstraße - Geschichten von der großen Liebe (German Edition)

und ich in Zweibrücken. Dieser Pendelverkehr an den Wochenenden!
    Pendeln und Verkehr brachte uns zu unserem ersten Prachtmädchen. Harte, aber auch schöne Zeiten! Schade, dass ich kein Patent auf’s Windeln waschen im Klo bekam. Unsere erste Waschmaschine löste meine „Kloschwenkungen“ ab.
    Was war ich stolz mit dem schicken Kinderwagen und der braven Tochter durch den Rosengarten zu spazieren. War ich doch damals der erste Mann, der einen Kinderwagen durch die Stadt schob. Dann kam der zweite Wonneproppen zur Welt und gleichzeitig eröffneten wir den Schuhladen.
    Weißt Du noch, wie Du zwischen Schachtelrücken, Kassieren, Buchen und Kundengesprächen mit durchgeweichten Blusen nach Hause flitzen musstest, um Jutta zu stillen? Abends bist du über der Additionsmaschine eingeschlafen.
    Denkst Du noch an den Tanzkreis? Wir, die „Spezialisten“ für Cha Cha Cha! - Haha
    Erinnere Dich an unsere Hamsterzucht mit den niedlichen Jungen, die mit vollgestopften Backentaschen unsere Vorhänge raufkletterten.
    An Stups, unseren feschen Pudel, der die Stange Salami vom Tisch klaute und abpellte, bevor er sie verspeiste. Sein Durst war anschließend groß! Wie uns kundgetan wurde, dass unser Herr Pudel Vater geworden ist. Der alte Feger.
    An die vielen Stallhasen, Hühner und Ziegen. Unsere Wellensittiche, den Haubenkardinal und die Kanarienvögel. Ja - vögeln ist schön.
    Denkst Du noch an die vielen Stunden, die wir mit der Reiterei verbrachten? Unsere schönen Ausritte in aller Frühe über taunasse Wiesenwege? An die bangen Zeiten, wenn ein Pferd krank war? Und die arbeitsreichen Vorbereitungen zu den Turnieren?
    Oder an unsere legendären Grillfeste!
    Mein Schatz, danke für Dein stundenlanges Wachen und Deinen heilenden Zuspruch nach meinen vielen Operationen.
    Damit wir länger gesund bleiben, walken wir durch die Lande. Von der Pfalz bis zum Kaiserstuhl, vom Hohen Fenn bis zur Schwäbischen Alb und all den anderen schönen Örtchen! Was bin ich happy, dass Du willig mit mir herumfährst!
    Das Alles, meine Liebe, weil wir trotz allem so gut zusammengehalten haben!
    Ich danke Dir für alle unsere gemeinsamen Erlebnisse, wünsche Dir einen schönen 70. Geburtstag und uns noch viele glückliche, gesunde Jahre.
    Nun, mein lieber Schatz, höre ich mal auf. Stoff hätte ich um ein dickes Buch zu füllen! Vielleicht mache ich es später mal. Aber welcher Rentner hat denn schon Zeit?
    Herzlich grüßt Dich Dein alter, Dich wirklich sehr liebender
    Hans

Der Auftritt
    Endlich ist der da: Der große Tag des Bühnenwettbewerbs an der Universität. Ich bin richtig aufgeregt. Gleich habe ich meinen Comedy-Auftritt. Der Zuschauerraum fasst 1.200 Sitze plus Stehplätze. Es sind ungefähr 1.400 Leute da. Eine große Bühne und eine Jury.
    Die Darbietungen der anderen nehmen kein Ende. Ich bin als Letzter dran. Ich überspiele meine Nervosität und blödle mit den Leuten hinter der Bühne herum.
    Auf einmal höre ich meinen Namen. Los geht‘s! Vom ersten Moment auf der Bühne an gehört mir das Publikum. Kannst du dir vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn 1.400 Leute über dich lachen? Das ist der Wahnsinn!
    Nachdem ungefähr drei viertel meines Auftritts gelaufen sind, passiert etwas wirklich Abgefahrenes: Ich befinde mich außerhalb meines Körpers, beobachte mich, betrachte das Publikum. Alles andere ist verschwommen. Und was ich sehe, ist perfekt!
    Am Ende verbeuge ich mich und 1.400 Leute springen von ihren Stühlen. Da ist nur Applaus und Lachen. Ich habe ihnen alles gegeben, nichts in mir gehalten. Und sie geben es zurück! Ich fühle bedingungslose Liebe im ganzen Publikum.
    Du kannst das nicht kontrollieren. Es ist wie „Es hat mich gefunden“. Du kannst nichts dafür tun, um so eine Höchstleistung zu erreichen. Es passiert einfach - mitten in der Routine. Ich bin wie betrunken und gewinne den Titel für den besten Einzelauftritt!
    Vincente

Die Schrift
    Schriftkunst. Sich ausdrücken in Schrift, das ist es! Ich habe ganz früh mit dem Schreiben angefangen. Mit knapp fünf oder so. Und nun kam die Kalligraphie noch dazu. Es war immer mein Traum, mit meiner Schrift Geld zu verdienen.
    Entweder ist Schrift schön und ordentlich und hat einen Ausdruck, oder sie sieht nicht akkurat aus. Die unpräzisen Sachen kannst du direkt in die Tonne schmeißen. Wenn ich eine Feder in die Hand nehme, sie in Tusche tauche und einfach Bögen und Schriftzeichen auf Papier male - diese Symbiose zwischen Papier, Schreibgerät und