Miles Flint 01 - Die Verschollenen
kopierte alle drei Identifizierungen und gab sie in die DNA-Datenbank der Erdallianz ein.
Theoretisch sollte dort die DNA aller Menschen im Bereich der Erdallianz, gespeichert sein. Manche Leute wählten die DNA als Daueridentifikation; andere beschränkten sich auf ihre Namen und Adressen. Aber gleich, welche Wahl die Leute trafen, ihre DNA war in der Datenbank der Erdallianz verzeichnet.
Es dauerte nur einen Moment, bis die DNA-Datenbank die entsprechenden Identifikationen ausspuckte – und es waren andere als die Hardcopy-Identitäten, die bei den Leichen gefunden worden waren.
Flint war nicht überrascht.
Alle drei Opfer waren außerhalb des Sonnensystems gewesen, und alle hatten sich in dem von den Disty beherrschten Raum aufgehalten. Flint nahm sich die Namen vor, die das System ausgespuckt hatte – Ruth Stern, Sara Zaetl und Isaac Rothman – und gab sie in die Datenbank der Ermittlungsbehörde ein.
Die Tatsache, dass er sofort einen Treffer landete, versetzte ihn in Erstaunen. Er hatte angenommen, es würde eine Weile dauern.
Offensichtlich gab es unerledigte Vollzugsbefehle für Stern, Zaetl und Rothman, Vollzugsbefehle, die vor fünfzehn Jahren von den Disty erlassen worden waren. Flint quittierte die Daten mit einem Stirnrunzeln. Fünfzehn Jahre waren eine lange Zeit, um auf der Flucht zu sein. Normalerweise starben die Opfer eines Rachemords kurz nach der Ausstellung des Vollzugsbefehls, noch ehe sie zu Verschwundenen werden konnten.
Der Treffer stammte von Amoma, dem vierten Planeten im heimischen Sonnensystem der Disty. Amoma hatte über mehr als einhundert Jahre eine Menschenkolonie beherbergt. Diese Menschen hatten es geschafft, überwiegend friedlich mit den Disty zu koexistieren, so, wie es Menschen und Disty auch auf dem Mars taten.
Aber die Gerichtsdokumente waren eindeutig. Sara Zaetl hatte einen Sicherheitsbeamten der Disty ermordet. Sie hatte behauptet, es getan zu haben, weil er sie angegriffen habe. Sie habe in Notwehr gehandelt. Aber jeder, der je eine ausgewachsene Menschenfrau neben einem ausgewachsenen Distymann gesehen hatte, wusste, wer bei einem solchen Zusammentreffen in physischer Hinsicht die Oberhand hatte.
Die Disty waren im Vergleich zu den Menschen klein und schwach. Wann immer die Disty Strafen gegen Menschen verhängten, wie beispielsweise einen Rachemord, erfolgte die Ausführung durch zahlenmäßige Übermacht und überlegene Bewaffnung.
Der Disty, der Sara Zaetls angegriffen haben sollte, war allein gewesen. Sie hatte ihn getötet. Zurück waren seine siebenköpfige Familie geblieben, sein Arbeitgeber (was für die Disty ebenso bedeutsam war wie die Familie des Verstorbenen) und ein Netzwerk aus Freunden, größer als die Bevölkerung der Armstrongkuppel.
Der Disty war vor dem Gebäude, in dem er gearbeitet hatte, getötet worden, einem Amüsierzentrum, das häufig von menschlichen Teenagern besucht wurde. Zaetl war bereits als Diebin und Einbrecherin bekannt. Sie mochte sich in der Tat von dem Sicherheitsbeamten bedroht gefühlt haben, der immerhin eine Waffe trug, aber irgendwie hatte sie es geschafft, ihn zu entwaffnen und die Waffe gegen ihn zu richten.
Wenn sie ihn in Notwehr getötet hätte, was Flint, angesichts der Umstände, wie sie sich ihm hier darstellten, bezweifelte, hatte Sara Zaetl im Nachhinein falsch gehandelt. Sie hätte selbst Kontakt zu den Behörden aufnehmen und auf sie warten müssen, um die Lage zu erklären.
Stattdessen war sie vom Tatort geflüchtet. Sie hatte sich hilfesuchend an drei ihrer Verwandten gewandt, die sie versteckt gehalten hatten, bis sie einen Verschwindedienst für sie gefunden hatten. Das Unternehmen hatte darauf bestanden, sie alle zusammen verschwinden zu lassen, und so waren sie verschwunden.
Die Strafprozesse, zuerst auf Amoma, dann vor dem Dritten Multikulturellen Tribunal, im Zuge derer die Vollzugsbefehle ausgestellt worden waren, waren in Abwesenheit geführt worden. Sara Zaetls Verteidigung wurde durch einen vom Gericht bestellten Anwalt übernommen, der ihre Geschichte erzählt haben mochte oder auch nicht. Sie war nicht mehr anwesend, um sich zu verteidigen.
Flint lehnte sich zurück und rieb sich die Augen mit Daumen und Zeigefinger. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wer zwei der Verwandten waren – Ruth Stern und Isaac Rothman –, aber er wusste nicht, wer die dritte Person war. Er seufzte. Was er bisher herausgefunden hatte, hatte ihm nicht gefallen, und er konnte sich nicht vorstellen, dass ihm
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