Miles Flint 01 - Die Verschollenen
des Tisches liegen. »Diese Namen sind mir nicht bekannt. Die Identifikationschips der Kinder passen nicht zu den Familiennamen, die in diesen Vollmachten verzeichnet sind. Es gibt keine Bilder, keine Hintergrundinformationen, nichts, woran ich mich halten kann, außer dem Wort der Wygnin, sie hätten die korrekten Opfer ausgewählt.«
»– Kinder –«, sagte einer der Wygnin, vermutlich der, der auch schon am Vortag mit ihr gesprochen hatte. Erst in diesem Moment fiel DeRicci auf, dass niemand die Dolmetscherin gerufen hatte, und dass sich die Wygnin deswegen auch nicht beschwert hatten.
Hatten die Wygnin alles verstanden, was sie gestern gesagt hatte? Oder würden die Anwälte ihnen später alles übersetzen?
»Opfer«, wiederholte DeRicci. »Wie auch immer Sie es drehen wollen, diese Kinder werden die unschuldigen Opfer des Rechtssystems sein.«
»– Anschauung –«, sagte der Wygnin.
»Fakt«, konterte DeRicci.
»Detective«, sagte Solar, und in ihrer Stimme schwang ein herablassender Unterton mit. »Sie wissen, dass die Wygnin niemals Fehler machen.«
»Ich weiß, dass uns die Wygnin das glauben machen wollen«, gab DeRicci zurück. »Was ich vor mir sehe, sind zwei Vollmachten. Aber ich sehe nichts, was diese Vollmachten mit diesen Kindern in Verbindung bringen würde.«
»Dann sehen Sie wohl nicht genau genug hin«, sagte Xival.
DeRicci bedachte sie mit einem kalten Lächeln. »Wie ich Ihren Klienten bereits gestern gesagt habe, ist das nicht meine Aufgabe. Sie haben die Aufgabe, mir zu beweisen, dass sie nicht durch ein Versehen die falschen Kinder entführt haben. Bis jetzt haben sie das noch nicht getan.«
»Die Wygnin sind vorsichtige Leute. Sie verlassen ihr Sonnensystem nicht einfach so und ohne einen triftigen Grund. Sie würden nicht kommen, um diese Kinder zu holen, wenn sie nicht genau wussten, dass sie im Recht sind«, erklärte Solar.
DeRicci zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht mein Problem, und das wissen Sie alle. Ich werde keine Menschenkinder ohne die notwendigen Dokumente von hier fortbringen lassen.«
»Sie machen es nur unnötig schwer«, tadelte Xival.
DeRicci legte die Hände flach auf den Tisch und beugte sich zu den Anwältinnen hinüber. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein, meine Damen. Ich denke, die Wygnin haben die falschen Kinder und wollen nicht, dass irgendjemand davon erfährt. Ich denke, sie versuchen Sie ebenso auszutricksen, wie sie es bei mir versucht haben. Aber ich werde sie nicht zusammen mit Kindern von hier verschwinden lassen, auf die sie kein Anrecht haben.«
»– Haben – Anrecht –«, sagte der Wygnin.
»Ich werde mich in dieser Angelegenheit an Ihre Vorgesetzten wenden«, erklärte Solar.
»Ich wette, das haben Sie bereits«, gab DeRicci zurück. »Und ich wette, die haben Ihnen gesagt, was sie auch mir gesagt haben, nämlich dass ich die einzige Verantwortliche in diesem Fall bin und alle Verhandlungen über mich zu laufen haben.«
Solar kniff die Augen zusammen. Xivals lange Finger bogen sich aufwärts, eine winzige Geste des Unbehagens.
»Was bedeutet«, fuhr DeRicci fort, »ich werde diese Kinder hier festhalten und zwar so lange, bis ich davon überzeugt bin, dass Ihre Klienten gar nicht imstande sind, einen Fehler zu machen. Erst dann werde ich bereit sein, diese Kinder in die Hölle zu schicken.«
»– Korsve – nicht – Hölle –«
»Vermutlich nicht, wenn man ein Wygnin ist«, stimmte DeRicci zu. »Aber Sie haben vor, alles zu zerstören, was diese Kinder sind. Macht Ihnen das gar nichts aus?«
»Sprechen Sie mit uns, Detective«, sagte Solar.
Aber DeRicci sah nur den Wygnin an, den, der zu ihr gesprochen hatte. Die goldenen Augen hielten sie fest, und sie fühlte seine Geringschätzung, als wäre es ihr eigenes Gefühl.
Der Wygnin sprach hastig in Korsven. Xival seufzte und übersetzte: »Die Kinder mitzunehmen, ist die Strafe für ihre Familie.
Aber den Kindern wird eine große Ehre zuteil. Sie werden Wygnin werden.«
»Ich weiß«, sagte DeRicci. »Ob sie wollen oder nicht.«
Sie ging zur Tür. Dann drehte sie sich noch einmal um.
»Kontaktieren Sie mich, wenn Sie echte Beweise für Ihre Behauptungen vorlegen können. Anderenfalls habe ich Wichtigeres zu tun.«
Sie ging hinaus und knallte die Tür zu. Dann blieb sie auf dem Korridor stehen und rang nach Atem.
Die Vollmachten waren da, was bedeutete, dass der Beweis – falls es einen gab – nicht weit hinter ihnen lauerte. Sie hoffte, dass die Eltern schnell
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